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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Autoren: Boris Koch
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an, doch zumindest machte der Drache keine Anstalten, ihn anzuspringen. Sollte er es sich noch anders überlegen, könnte er Ben mit einem Haps in zwei Hälften beißen.
    »Ganz ruhig, ich tue dir nichts«, sagte Ben mit sanfter Stimme, aus der er jedes Zittern zu bannen versuchte. Wirkliche Angst hatte er nicht, dafür fühlte er sich Drachen zu stark verbunden.
    »Du ihm? Hauptsache, er tut dir nichts«, murmelte Yanko leise, doch Ben verstand es trotzdem.
    Der Drache hob die Lefzen. Blutige Fleischfasern steckten zwischen zwei seiner spitzen Zähne.
    Obwohl Ben keine Angst hatte, pochte sein Herz schneller, denn dem Orden traute er längst das Schlimmste zu. Was hatten die Ritter dem Flügellosen befohlen, falls ein Fremder seine Box betrat? Stammten die Fleischreste von einem früheren Eindringling? Rasch schob er diese Fragen beiseite. Sicherlich hatte ihm niemand befohlen, jeden anzugreifen, der die Box betrat, schließlich mussten Stallburschen hier ja ausmisten, es gab Besucher im Kloster und Neulinge.
    »Komm her«, sagte er mit einem leichten Zittern und machte seinerseits einen weiteren Schritt auf den Drachen zu. Er war nun so nah, dass er den warmen Atem aus den Nüstern spüren konnte. Langsam trat er neben den mächtigen
Kopf mit der langen spitzen Schnauze und beugte sich vor, um die Schulterknubbel zu berühren.
    Das Knurren wurde lauter und drohender. In der Box nebenan schabten Schuppen über den Boden, etwas stieß dumpf gegen die Zwischenwand. Auch der breitmaulige Drache gegenüber wurde unruhig, presste den Kopf gegen die Gitter und starrte herüber.
    »Keine Angst«, murmelte Ben, was ebenso gut an ihn selbst gerichtet sein konnte. Was wusste er schon, ob er nicht doch plötzlich zuschnappte?
    Dann berührten seine Hände die Schulterknubbel. Für einen kurzen Moment fürchtete er, diesmal könnte seine Gabe ihn im Stich lassen, doch dann spürte er das vertraute Pulsieren in der Handfläche, den Fluss seiner Kräfte.
    Er spürte, wie die Vernarbungen der alten Wunden warm wurden und Leben in das tote Gewebe floss, spürte, wie sich die Muskeln unter den Schuppen spannten. Und er hörte, wie das Knurren erstarb, wie es sich zu einem zufriedenen Brummen wandelte, das an das Schnurren einer Katze erinnerte.
    Auch aus Ben wich die Anspannung. Er lehnte sich bequem gegen den Drachen und dachte mit aller Kraft daran, wie die Flügel des Drachen wuchsen, an aufplatzende Vernarbungen und heilendes Fleisch. Er wusste, er musste so schnell heilen wie noch nie, wenn sie noch in der Nacht wieder verschwinden wollten.
    Auch in den Boxen nebenan kehrte langsam wieder Ruhe ein.
    »Und jetzt?«, hörte er Yanko fragen.
    »Jetzt brauche ich ein wenig Zeit«, antwortete Ben. Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Bis er mir ganz vertraut und die Knubbel
sich so weit gelöst haben, dass er uns hinausfolgt, egal, was man ihm befohlen hat.«
    »Was ist ein wenig? Eine halbe Stunde?«
    »Länger«, presste Ben hervor, der es nicht einschätzen konnte, aber darüber jetzt nicht debattieren wollte.
    »Und was machen wir?«
    »Warten«, sagte Ben und vertiefte sich wieder in die Heilung.
     
    Warten, dachte Yanko abfällig. Nein, er würde jetzt nicht zwei Stunden oder länger im Dunkeln herumstehen. Wenn er schon nicht draußen im Hof herumspazieren konnte, würde er sich wenigstens den Stall in Ruhe ansehen.
    »Komm«, sagte er zu Nica, doch sie schüttelte den Kopf. Sie wollte bleiben, falls Ben Hilfe brauche. Das waren Ideen, wie sie Mädchen hatten, dachte Yanko und schlenderte die Stallgasse entlang. Ben hatte beim Heilen noch nie Hilfe gebraucht. Sollte sie sich eben langweilen, er würde das nicht tun.
    In die Boxen hatten sie bereits bei der Drachensuche gründliche Blicke geworfen, doch am Ende der Gasse befand sich noch eine dünne Tür aus hellem Holz, die leicht verzogen in den Angeln hing. Vorsichtig drückte Yanko die Klinke herunter und drückte gegen die Tür. Sie war unverschlossen.
    Ob sie das immer war oder ob es am Zauber des Großen Schlüssels lag, den sie vergraben und wieder ausgebuddelt hatten, wusste Yanko natürlich nicht, doch vermutlich hatte es nichts mit irgendeiner Gabe zu tun, denn diesen Raum zu verschließen, war überflüssig. Hier lagerten keine Schätze, sondern Sättel und Leinen, Zaumzeug für Pferde und Eimer mit Trockenfleisch für die Drachen. Yanko hatte die Sattelkammer
gefunden. Eine weitere Tür führte durch die rechte Wand in den Pferdestall. Dort waren nur die Geräusche
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