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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
Autoren: Kathryn Lasky
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verzweifeltes Toben von leisem Klimpern begleitet war.
    Als der Fluss ihren Bau zu überfluten drohte, hatte sie ihm ein paar Sekunden lang den Rücken zugekehrt, um sich nach höher gelegenem Fels umzublicken. In diesem kurzen Moment waren Pumas wie aus dem Nichts hervorgeschossen und hatten ihr Junges geraubt. Ihr einziges Junges. Dieses Mal hatte sie nur eines aufgezogen. Den ganzen Sommer und Herbst lang hatte sie gefressen, sich fettgemästet. Und wozu das alles? Nur damit das wahrscheinlich letzte Junge, das sie geboren hatte, zerfleischt wurde? Ihre Zitzen trieften von der Milch, die für das Kleine bestimmt war, und sie wollte nur noch sterben. Der Fluss, dem sie eben noch zu entrinnen gehofft hatte, kam ihr jetzt gerade recht. So groß war ihr Schmerz noch nie gewesen, außer vielleicht in jener Paarungszeit vor fünf Sommern, als ein Grizzlymännchen eines ihrer Jungen getötet hatte, um an sie heranzukommen. Nichts und niemand würde sie von der Höhle wegbringen, in dem sie das Junge geboren und gesäugt hatte. Verzweifelt riss sie den wuchtigen Kopf zum Mond empor, der sie anblickte wie ein totes Auge, und flehte den Großen Bären an: Großer Ursus, nimm mich, nimm mich zu dir!
    Die Bärin hatte jedes Zeitgefühl verloren. Der Mond glitt am westlichen Himmel hinab und die Nacht wurde dunkler. Kurz vor der Dämmerung hatte sich der Sturm ausgetobt und dunkle Wolken wie glimmende Asche am Horizont hinterlassen. Der Flusspegel hatte den höchsten Punkt erreicht, doch die Fluten hatten die Bärin nicht verschlungen.
    Plötzlich spürte sie, dass sich etwas an ihrem Hinterbein verfangen hatte, ein dunkler, nasser Klumpen. Ungeduldig schüttelte sie den Fuß, um das lästige Kratzen loszuwerden. Aber je mehr sie schüttelte, desto fester klammerte sich der Klumpen an ihr Bein. Die Bärin wurde wütend und zog ihre Pfote ans Ufer.
    Später fragte sie sich, was sie daran gehindert hatte, einfach hinunterzugreifen und den Klumpen abzureißen, der keinerlei Lebenszeichen gab. Das Kratzen hätte ebenso gut von einer Dornenranke kommen können, die sich im Treibeis des tobenden Flusses verfangen hatte. Treibgut. Nichts weiter. Und doch spürte sie etwas.
    Ein Funke , dachte sie bei sich. Funken hatte sie schon öfter gesehen. Funken, die vom Himmel fielen oder aus den Felsen schlugen, wenn herabstürzende Trümmer ineinanderkrachten. Aber niemals hätte sie gedacht, dass der Fluss Funken schlagen könne. Ein Funke aus dem Fluss, ungestillt, unversehrt, unvermindert. Wie eine winzige Lichtsphäre flog er aus dem tosenden Wasser auf und barg die Verheißung von Leben in sich.
    Die Bärin griff hinunter und löste behutsam mit den Vorderpfoten den nassen Klumpen von ihrem Hinterbein. Der Klumpen zappelte nicht, kein Atemzug war zu erkennen. Aber es war ein Junges, welcher Art auch immer, und als das winzige Wesen wie unter großen Schmerzen die Augen aufschlug, blitzte der Funke darin auf.
    Die Sonne stieg gerade über dem Horizont auf und ihr Licht spiegelte sich in den Augen des kleinen Findlings. Plötzlich sah die Bärin ein Bild darin, das sie erschreckte. Ihr eigenes Spiegelbild blickte sie aus den Augen eines Jungen an, das weder von ihr geboren noch von ihrer Art war. Es ist ein Wolf , dachte sie. Ich suche den Tod und das Kleine hier sucht das Leben.
    Dann schaute sie zum Himmel auf und suchte nach dem Sternbild des Großen Bären. Da bereits der Morgen graute, konnte sie es nicht sehen, aber im tiefsten Inneren wusste sie, dass dieses Wolfsjunge eine Botschaft von Ursus war, eine Zurechtweisung. Es stand ihr nicht zu, an den Tod zu denken. Ihre Zeit war noch nicht gekommen. Das hilflose kleine Geschöpf hatte sich nicht zufällig an ihrem Hinterbein verfangen. Es war ein Geschenk des Flusses.
    Faolan , wisperte sie. Ich werde dich Faolan nennen .
    „Fao“ bedeutete zugleich „Fluss“ und „Wolf“. Und „lan“ war das Wort für „Geschenk“.
    „Du bist mein Geschenk des Flusses“, sagte sie und nahm das Wolfsjunge an ihre Brust.
    Die Milchgeberin! Das Wolfsjunge roch die Milchspuren in dem dicken Pelz und sein Mäulchen drängte zur Quelle. Aber je näher Faolan den Zitzen kam, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken. Das hier war nicht dasselbe. Der Geruch war anders und der Geschmack auch. Und erst dieses neue, furchterregende Geräusch! Das Tosen des Flusses war einem gewaltigen, rhythmischen Donnern gewichen, in das sich wildes Geblubber mischte. Als die Grizzlybärin den Wolfswelpen
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