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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Autoren: Marie Cristen
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völliges Schweigen. Sizma und die anderen stemmten die Arme in die Hüften, so dass ihre Brüste fast die weit ausgeschnittenen Blusen sprengten. Aliza schlug befangen die Augen nieder und hielt sich im Hintergrund.
    Milosh und Tal wischten sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Wie üblich schoben sie sich unmerklich, mit ein paar anderen Männern des Stammes, als lebende Barriere zwischen die Mädchen und die Menge.
    Berauscht vom Fest, dem Wein und dem Bier – an allen Straßenecken wurde frei ausgeschenkt – reagierten die Schaulustigen enttäuscht auf das Ende der Vorstellung. Aus Beifall wurde übergangslos Protest, aus Jubel Zorn. Eingekreist und bedrängt, rückten die Tänzerinnen immer enger zusammen. Sogar Sizma zog die Bluse züchtig höher und versteckte sich ängstlich hinter der größeren Schwester. Vergeblich.
    Ein Kriegsknecht mit einem Gesicht, das rot war wie ein Bischofshut, packte sie um die Taille und wollte sie küssen. Sizma kreischte aus vollem Hals, und Aliza kam ihr zu Hilfe. Sie stieß dem Kerl mit aller Kraft den Ellbogen zwischen die Rippen, so dass er die Schwester zunächst japsend freigab. Er rieb sich kurz den Brustkorb, rülpste und grapschte ohne Zögern gierig nach ihr. Eine Wolke säuerlichen Weindunstes verschlug ihr den Atem.
    Noch während er sie an sich riss, erkannte er seinen Fehler. Tretend, kratzend, spuckend und fauchend ging Aliza so wütend auf ihn los, dass die Nähte ihres Kleides zu reißen drohten, das Kopftuch verlorenging und die Haarnadeln flogen. Das Haar, ohnehin schwer zu bändigen, löste sich binnen kürzester Zeit aus dem ordentlich geflochtenen Zopf. Es flog wild um sie herum, während sie den Rotgesichtigen derart attackierte, dass er die Hände schützend vor das Gesicht halten musste.
    So schnell das Gerangel auch entstanden war, der ungewohnte Anblick brachte es noch schneller zum Erliegen. Alizas rotblonde Mähne wehte wie eine Flagge, als der Mann sie endlich packen und zornig schütteln konnte. Gemurmel setzte ein.
    »Donnerwetter, eine rothaarige Ägypterin! Wer hätte gedacht, dass es so etwas gibt. Tanz für uns, Mädchen«, grölte er berauscht. »Dann will ich dir nachsehen, dass du reizbarer bist als eine Viper.«
    Die Menge ließ sich von ihm anstecken. Immer lauter und fordernder wurden die Rufe nach Alizas Tanz.
    Milosh wechselte einen Blick mit Tal und den anderen Männern der Sippe. Sie alle wussten, dass die Stimmung auf der Kippe stand. Streitsucht und Trunkenheit gingen Hand in Hand. Wenn es zur Rauferei kam, würden nur die Ägypter bestraft und aus der Stadt getrieben werden.
    Aliza erahnte den Befehl, ehe Tal ihn gab.
    »Tanz!«, forderte er knapp in ihrer Sprache. Er setzte die Fidel zwischen Kinn und Schulter an und nickte ihr zu. »Worauf wartest du?«
    Münzen flogen durch die Luft und fielen klimpernd zu Boden.
    »Aber ich …«
    »Wir haben keine Wahl«, raunte Milosh an ihrer Seite. »Tanze. Tu dein Bestes, sonst machen sie uns die Hölle heiß. He, macht Platz!«, wandte er sich an die Menge. »Aliza wird für euch tanzen. Aber nur, wenn ihr Raum dafür lasst und euch erkenntlich zeigt.«
    Obwohl Aliza lieber in der Erde versunken wäre, sah sie ein, dass es keinen anderen Ausweg gab. Zornig und stolz warf sie die Haarflut nach hinten, hob mit der Rechten das Tamburin über den Kopf und tat mit dem linken Handballen den ersten Schlag.
    Sie konzentrierte sich allein auf Miloshs Fidel und untermalte ihre Schritte mit dem Tamburin, indem sie es jetzt fast beiläufig am Oberschenkel aufschlug. Dankbar erkannte sie in der Melodie ein Liebeslied, dessen melancholischer Klang die Gemüter hoffentlich ein wenig besänftigen würde. Schon wurde es ruhiger.
    Milosh war ein Meister seines Instruments. Er bot all sein Können auf, um Aliza zu unterstützen. Da er um ihre Scheu vor Menschenmassen wusste, hüllte er sie schützend in seine Musik. Dankbar nickte sie ihm zu, ehe sie die Lider senkte und die Schlagzahl der runden Schellentrommel langsam erhöhte. Dem Rhythmus folgend, versuchte sie zu vergessen, wo sie sich befand und wer ihrem Tanz zusah.
    Der Versuch misslang trotz aller Mühen.
    Die Ausdünstungen der dicht an dicht schwitzenden Menschenmenge auf der Festwiese hatten längst die Wohlgerüche des Festmahls und des Rauchwerks überlagert, die den Hochzeitszug umweht hatten.
    Da sich alle Welt ungeniert hinter Buden und Zelten erleichterte, trocknete die Sonne zudem den menschlichen Unrat in die Erde. Der
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