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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express
Autoren: Agatha Christie
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jetzt natürlich nicht vermurksen. Aber er steht doch schon mit einem Fuß im Grab, jeder weiß das, und was immer er sagt, wird bei Derek verdammt wenig bewegen.»
    «Kannst du nicht etwas tun, Dad?», bedrängte Ruth ihn nach ein paar Momenten des Schweigens.
    «Ich könnte», sagte der Millionär. Er dachte eine Sekunde nach und fuhr dann fort: «Es gibt ein paar Dinge, die ich tun könnte, aber nur eins hätte wirklich Sinn. Wie viel Mumm hast du denn, Ruthie?»
    Sie starrte ihn an. Er nickte ihr zu.
    «Ich meine genau das, was ich sage. Hättest du den Mut, vor aller Welt zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht hast? Aus diesem Schlamassel gibt es nur einen Ausweg. Schreib deine Verluste ab und fang neu an.»
    «Du meinst…?»
    «Scheidung.»
    «Scheidung!»
    Van Aldin lächelte trocken.
    «Du sprichst das Wort aus, Ruth, als ob du es noch nie gehört hättest. Dabei lassen sich doch all deine Freundinnen jeden Tag scheiden.»
    «Ach, das weiß ich doch. Aber…»
    Sie hielt inne und biss sich auf die Lippen. Ihr Vater nickte verständnisvoll.
    «Ich weiß, Ruth. Du bist wie ich, du kannst es nicht ertragen, etwas aufzugeben. Aber ich habe gelernt, und auch du musst es lernen, dass es Zeiten gibt, wo das die einzige Möglichkeit ist. Ich könnte Mittel finden, um Derek zurückzupfeifen, zurück zu dir, aber am Ende käme alles wieder auf dasselbe hinaus. Er taugt nichts, Ruth; er ist durch und durch verdorben. Und weißt du, ich mache mir Vorwürfe, dass ich dir je erlaubt habe, ihn zu heiraten. Aber du hattest ihn dir nun mal in den Kopf gesetzt, und damals schien er ernsthaft ein neues Leben anfangen zu wollen – und, tja, ich hatte dir einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht, Liebes…»
    Er sah sie bei den letzten Worten nicht an. Hätte er es getan, so hätte er die plötzliche Röte bemerken können, die ihr Gesicht überzog.
    «Das hast du», sagte sie mit harter Stimme.
    «Ich war verdammt zu weich, das ein zweites Mal zu machen. Aber ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich wünsche, ich hätte es doch getan. Die letzten Jahre hast du ein Hundeleben gehabt, Ruth.»
    «Es war nicht besonders – angenehm», stimmte Mrs Kettering zu.
    «Deshalb sage ich dir, damit muss jetzt Schluss sein!» Er schlug die Hand heftig auf den Tisch. «Vielleicht hängst du immer noch an dem Kerl. Mach Schluss! Stell dich den Tatsachen. Derek Kettering hat dich wegen deines Gelds geheiratet. Mehr ist nicht dran. Gib ihm den Laufpass, Ruth.»
    Ruth Kettering schaute ein paar Momente zu Boden; dann sagte sie, ohne den Kopf zu heben:
    «Und wenn er nicht einwilligt?»
    Van Aldin sah sie erstaunt an.
    «Er hat dazu gar nichts zu sagen.»
    Sie errötete und biss sich auf die Lippen.
    «Nein – nein – natürlich nicht. Ich habe nur gemeint…»
    Sie hielt inne. Ihr Vater musterte sie aufmerksam.
    «Was hast du gemeint?»
    «Ich meine…» Sie machte eine Pause und wählte ihre Worte sorgfältig. «Vielleicht nimmt er es nicht so einfach hin.»
    Der Millionär reckte grimmig das Kinn.
    «Du meinst, er wird die Scheidung verweigern? Soll er doch! Aber, ganz nebenbei, da irrst du. Jeder Anwalt, den er konsultiert, wird ihm sagen, dass er keinen Boden unter den Füßen hat.»
    «Du glaubst also nicht – », sie zögerte – «ich meine – aus reiner Böswilligkeit mir gegenüber könnte er – also, er könnte Schwierigkeiten machen?»
    Ihr Vater sah sie einigermaßen erstaunt an.
    «Die Scheidung anfechten, meinst du?»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Ziemlich unwahrscheinlich. Weißt du, er müsste nämlich einen Grund haben.»
    Mrs Kettering antwortete nicht. Van Aldin sah sie scharf an.
    «Komm, Ruth, raus damit! Dich beunruhigt doch was – was ist es?»
    «Nichts, wirklich gar nichts.»
    Aber ihre Stimme klang nicht überzeugend.
    «Du hast Angst vor der Öffentlichkeit, wie? Ist es das? Überlass das nur mir. Ich drücke die ganze Affäre so glatt durch, dass es überhaupt kein Aufsehen gibt.»
    «Na gut, Dad, wenn du meinst, dass es wirklich das Beste ist.»
    «Hast du den Burschen etwa noch gern? Ist es das?»
    «Nein.»
    Sie sagte das mit unmissverständlichem Nachdruck. Van Aldin schien zufrieden. Er klopfte seiner Tochter auf die Schulter.
    «Alles wird gut werden, Kleines. Mach dir keine Sorgen. Jetzt denk nicht mehr daran. Ich habe dir ein Geschenk aus Paris mitgebracht.»
    «Für mich? Etwas Schönes?»
    «Ich hoffe doch, dass du es schön findest», sagte Van Aldin lächelnd.
    Er nahm das Päckchen aus der
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