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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
Autoren: Simon Spurrier
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wartet , dachte er.
    Sie wartet darauf, dass ich es kapiere .
    Wie ein Parasit, der Ruhe aufsaugt, beugte sich Shaper dichter zu Glass und zwang sich, daran zu glauben, dass dies etwas bewirkte.
    »In Norrbotten« , hörte er Tovas Stimme sagen, die aus seiner Erinnerung an jenen ersten Tag bei seinem Auftrag in Freddiessonnenhellem Zimmer auftauchte, »gibt es viele kleine Gemeinden. Abgeschieden. Kleiner   … wie sagt man?«
    Shapers Krankheit beschwor eine fiese, kurzzeitige Vision herauf – Tova in ihrem jetzigen Zustand, gleich einem Gegenpunkt zu seiner Erinnerung: blutleer, das Gesicht angenagt, kalt wie die Erde draußen.
    »Genpool« , hörte er sie fortfahren. »Hohes Aufkommen von Gaucher-Syndrom Typ drei.«
    Moment mal.
    Oh Gott, Moment mal   …
    Wovon sie geredet hat, war   …
    Irgendwo in der fernen Dunkelheit erholte sich Mary von ihrem Würgeanfall und verrenkte sich den Hals, um das schauerliche über Freddie angeordnete Spielbrett zu betrachten. »Verfluchte Scheiße, was um alles in der Welt soll das?«, zischte sie.
    Shaper ignorierte sie und spulte in schnellem Vorlauf durch sein vernebeltes Gedächtnis, bis er Sandra über eine konfuse Vergangenheit und alte Verwirrungen sprechen hörte. »Meine Erinnerungen sind irgendwie durcheinander« , hatte sie gesagt. »Es war eine sonderbare Zeit in meinem Leben.«
    Ein Kind , dachte er, geschlagen von einer beschissenen Krankheit .
    Ein genetischer Witz.
    Hinweise auf eine abscheuliche Tat.
    Und dann, wieder zurück im Eishaus, sah er in ihren Augen den Hass, den sie für den blutüberströmten alten Mann mit dem skalpierten Schädel empfand, der ihrer Macht ausgeliefert war, für diesen vollkommenen Heiligen, den Unaufgestiegenen Meister, und die Erkenntnis walzte durch Shapers Seele.
    Die Welt verwandelte sich in Melasse.
    »Er war es«, sprach er laut aus. »Es war Glass, der Sie vergewaltigt hat.«
    Die Zeit setzte mit dem Leiern einer Sitar und dem Pochen von Trommeln wieder ein, und Shaper ertappte sich dabei, dasser vor dem Greis zurückschrak wie vor einer brennenden Lunte. Ihm gegenüber schien Sandra zu erschlaffen, als wäre die Wahrheit durch das simple Aussprechen ihrer dunklen Macht beraubt worden. Einen Moment lang hielt Shapers wachsende Abscheu inne, vermischt mit Wut über die eigene Idiotie und einem Anflug gebrochener Götzenverehrung, und er setzte schwankend dazu an, nach vorn zu springen, bereit, das Messer beiseitezuschlagen, bevor Sandra die Fassung zurückerlangen konnte.
    Aber …
    Aber schließlich brachen die Wahnvorstellungen entfesselt mit voller Kraft los und tobten im Angesicht seiner Abscheu. Die Wahrheit hatte ihn seines letzten Heilmittels beraubt, jener unerklärlichen Salbung durch die freundliche Aufmerksamkeit eines perfekten Menschen. Und dies so sicher, als hätte Sandra die Klinge bereits zum Einsatz gebracht und den alten Mann getötet. Der Anfall erfasste seine Seele wie der Treffer eines Vorschlaghammers, ließ seine Knochen erstarren und lähmte die Muskeln. Stöhnend sog er die Luft ein, als kämpfe er um sein Leben, und wankte auf den Beinen.
    Glass.
    Nicht du   …
    Es dröhnte aus den Höhlen seines Geistes.
    Ich hätte dich retten sollen! Ich hätte etwas Gutes tun sollen!
    Ihm gegenüber schien Sandra mit jeder verstreichenden Sekunde lebendiger zu werden, befreit von ihrem Geheimnis. »Das erste Mal«, sagte sie, ohne etwas von Shapers Lähmung zu bemerken, »war nach einer ihrer … Sitzungen unten. Wissen Sie, er war völlig aufgedreht. Ist herumgestolpert. Hat gekichert.«
    Sie hob den Blick. Sogar zerstreut und verdünnt wie ein verwässerter Giftstoff loderte ihr Hass nach wie vor weißglühend.
    »Er hat sich nur … albern benommen, dachte ich damals. Hat mich geknuddelt. Mich gekitzelt.« Ein grässliches, spöttisches Grinsen verzog ihre Lippen. »Mich geküsst.«
    Shapers Sinnesverzerrungen tünchten Sandra voll unerwartetem Mitgefühl in einen Schleier aus Unschuld und kindlicher Freude, der von einem Meer von Dreck und Blut besudelt und verunreinigt wurde. Der Dreck zog – eingebildete oder echte – Fliegen an, die als großer, zorniger Schwarm geräuschlos durch die Kammer summten, unaussprechlich stanken und sich wie ein Umhang auf George Glass’ klebriger Haut niederließen.
    Shaper kämpfte mit seinem eigenen Körper, doch jeder Muskel blieb erstarrt, nichts funktionierte.
    »Er hat mir auch Rauschmittel eingeflößt«, fuhr Sandra fort. »Beim ersten Mal nur ein Glas
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