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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hacker
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haben es geschickt eingefädelt, wollte ich Cremer sagen. Einsturzgefahr. Das Becken hat sich gesenkt. Keiner hat protestiert. Hörst du? Auch Klaus hat nichts gesagt. Bevor er ins Schwimmbad kam, war er arbeitslos, das hat er mir selbst erzählt. Was sie ihm versprochen haben, weiß ich nicht. Sie stecken alle unter einer Decke. Ich habe keinen von ihnen wiedergesehen. Klaus hat behauptet, dass der Hausmeister ein Spitzel ist. Dann hat er von einem Tag auf den anderen nicht mehr mit mir geredet. Lass ihn, der ist verrückt, haben die anderen über mich gesagt.
    Sie müssen von Anfang an irgendeinen Plan verfolgt haben, erklärte ich Cremer. Das Schwimmbad ist nur der Anfang. Unfug, antwortete Cremer. Das Schwimmbad ist geschlossen. Das ist alles.

    Ich bin durch die Straßen gegangen und habe gewartet, dass irgendeiner etwas sagt, aber niemand ist stehen geblieben. Es war ein Tag wie alle anderen, zur gleichen Zeit wie jeden Morgen habe ich das Haus verlassen, und hätte ich die richtige Richtung eingeschlagen, so wäre ich pünktlich zur Arbeit gekommen, wenn auch ohne die gehörige Kleidung, denn kein Bademeister steht in Cordhose und Hemd am Beckenrand. Doch ich ging in die entgegengesetzte Richtung, und erst gegen Abend kam ich an Cremers Kiosk. Er winkte mir verärgert zu und streckte mir die Tüte mit zwei trockenen Käsebrötchen entgegen, die er morgens für mich vorbereitet hatte. Was er damit jetzt machen solle, fragte er unwirsch, und wo ich am Morgen gewesen sei. Ich antwortete nicht und nahm die Tüte. Weiter redeten wir nichts an diesem Tag. Keiner blieb stehen und sagte: Sie sind doch der Bademeister, das Schwimmbad ist geschlossen, hören Sie, seit heute ist das Volksbad zu. Nicht einmal die Wannenbäder sind mehr in Betrieb, Cremer hatte nichts davon gehört, er dachte wohl, dass ich noch immer bei den Wannenbädern arbeitete, und Leute blieben stehen, kauften die Zeitung wie alle anderen Tage auch. Cremer winkte mir, ich solle Platz machen, weil ich vor dem kleinen Fenster seines Kiosks stand und störte. Ich nahm die Tüte, ging davon, und wäre es warm gewesen, so hätte ich mich auf eine Parkbank setzen können wie einer, der sein Abendbrot am liebsten draußen isst. Es war der erste Dezember. Den ganzen Tag war ich durch die Stadt gelaufen, war längst durchgefroren, aber es war zu früh, in die Wohnung zu gehen, vor neun Uhr abends kam ich nie zurück. Das zweite Brötchen wickelte ich in die Tüte und steckte es in die Jackentasche, das Erste aß ich im Gehen. Noch war es zu früh, sich nach Hause aufzumachen, und ins Schwimmbad konnte ich nicht. Nie habe ich auf der Straße gegessen, und ich dachte, jeder könnte mir ansehen, dass ich nicht wusste, wohin ich gehen sollte. Um diese Zeit erwartete meine Mutter mich nicht zurück, sie hätte sich gewundert und mich ausgefragt. Arbeitest du nicht? Wieso bist du schon hier? Ich habe ihr nichts gesagt. Von der Schließung des Schwimmbads hat sie bis zu ihrem Tod nicht erfahren.

    Den Fischen geht es nicht gut, und von vier Globen, die neben dem Aquarium stehen, ist ein weiterer, zweiter Globus verloschen, nachdem er schon eine Weile geflackert hat. Dass es nur der Stecker ist, hoffte ich und kontrollierte ihn, aber die Glühbirne ist kaputt. Im Heizungskeller gibt es keine Glühbirnen, nur einige Neonröhren stehen im Werkzeugraum. Der Globus hat geflackert wie zur Warnung, so wie meine Stimme früher einen Schwimmer warnte, der weiterschwamm, obwohl er längst erschöpft war, flach atmete, die Augen so angestrengt aufgerissen, als müsste er über einen See hinweg das Ufer finden. Immer habe ich rechtzeitig gesehen, wo ein Unglück geschehen kann. Nach einem letzten Flackern ist der Globus endgültig verloschen.
    Draußen ist es dunkel geworden, die Straßenlaternen sind schon an, das stumpfe Dämmerlicht breitet sich im leeren Becken und über den Fliesen aus, die früher noch beim geringsten Lichtschein türkis geleuchtet haben, jetzt matt versinken, als hätte man ihnen die Farbe ausgetrieben, und die Löwenfratzen verschwinden im Schatten unter der Galerie. Wenn ich nicht sage, was hier ist, verschwindet alles, die Löwenköpfe, die Galerie, das ganze Gebäude. Nur meine Stimme ist übrig, um zu sagen, was keiner mehr sehen kann, weil das Schwimmbad geschlossen ist, der Eingang mit einer zusätzlichen Kette zugesperrt. Hören Sie? Ich habe nie viel gesprochen, jetzt muss ich alles aufzählen, so wie man mit der Hand nach einem fremden
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