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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag
Autoren: Jutta Ahrens
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Tempel trat, sah er eine blühende Stadt vor sich. Was meinte der alte Mann?
    »Dann hat früher also niemand versucht, dem finsteren Razoreth sein Opfer wieder zu entreißen?«
    »Niemand. Es gab allerdings schon immer einen Ausweg. Der König hätte sich freiwillig für sein Land opfern müssen, den Freitod wählen, verstehst du? Aber das ist niemals geschehen. Deshalb ist das Böse auch nie eingedämmt worden.«
    Das Böse! Das Böse! Ständig faselte der Alte vom Bösen. Jawendor war reich und mächtig, wo verbarg es sich denn, das Böse? Natürlich, vielleicht meinte Anamarna den Mondtempel. Der war schon immer verdächtig gewesen, dunkle Kreaturen zu beherbergen. Vielleicht sollte er dort mit der Suche beginnen?
    »Woran werde ich den Betreffenden erkennen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wenn er dir begegnet, dann wirst du es spüren, als seiest du unlöslich mit ihm verbunden. Habe Geduld, eure Wege werden sich kreuzen, so ist es bestimmt, aber dazu musst du dich unter die Menschen begeben.«
    Unter die Menschen? Der Platz eines Sonnenpriesters war im Tempel. Gewöhnliches Volk musste er meiden, schon, damit er nicht versehentlich berührt wurde. Nun sollte er das Heilige auf die Straße tragen? Vielleicht musste er sich vorher einem Ritual unterziehen, das ihn berührbar machte? Ob es so etwas überhaupt gab, wusste er nicht, aber Anamarna schien das Problem nicht umzutreiben.
    »Wenn du den Mann gefunden hast, musst du all deine Kraft einsetzen, die dir als Sonnenpriester zur Verfügung steht, um ihn auf die lichte Seite zu ziehen.«
    »Aber wo soll ich mit der Suche beginnen?«
    Anamarna legte ihm eine Hand auf den Arm. »Beginne damit, dich dem Leben in der Welt zu stellen, verlasse die schützenden Mauern des Sonnentempels. Was auch immer dir begegnen wird, du wirst wissen, was zu tun ist. Natürlich ist es niemals falsch, die alten Schriften zu studieren. Aber du musst dich auch in Stadt und Land umhören, du musst deine Kraft und alle deine Sinne in den Dienst dieser Aufgabe stellen.«
    »Und wenn ich versage?«, flüsterte Jaryn.
    »Wenn du an dich glaubst, wirst du nicht versagen, sonst hätten die Götter dich nicht erwählt. Du kämpfst für Achay, für das Licht, vergiss das nicht. Du besitzt doch die Sonnenscheibe?«
    Jaryn nickte. »Ich habe sie bei mir.«
    »Erfüllt sie dich mit Kraft und Zuversicht?«
    »Ja, das tut sie«, erwiderte Jaryn mit Überzeugung in der Stimme.
    »Dann vertraue auch weiterhin auf sie. Sie wird dir beistehen und helfen, deinen Auftrag zu erfüllen.«
    »Achay«, murmelte Jaryn. »Er besucht mich oft, dann spüre ich ihn. Er ist in mir, wenn ich sie halte.«
    »Das weiß ich. Deshalb habe auch ich Vertrauen in dich, Jaryn. Der Gott wird dir alle Kraft geben, die nötig ist.«
    »Aber warum ich? Was kann ich schon tun? Warum sucht Ihr nicht nach ihm, Anamarna? Ihr seid so viel klüger und weiser als ich.« Seine Zuversicht, zum Helden geboren zu sein, war zerbröselt wie ein welkes Blatt.
    Anamarna lächelte. »Nein, nein, ich habe wohl Lebenserfahrung und Menschenkenntnis, aber ich bin für solche Abenteuer zu alt. Ich bin zufrieden, wenn ich hier vor meiner Hütte sitzen und die Tage genießen kann. Wenn die Menschen zu mir kommen, dann gebe ich gern einen Rat – wenn ich kann. Aber ich bewege mich kaum noch fort von hier.«
    Jaryn fasste unwillkürlich nach dem roten Stein um seinen Hals. »Ich bin noch jung, gewiss, aber keine Anstrengungen gewohnt. Die Priester im Sonnentempel …« Er wurde rot und senkte den Blick. »Sie beschäftigen sich nicht mit groben Dingen, sie ziehen nicht hinaus in die Welt, um das Böse aufzuspüren, sie bekämpfen es mit Ritualen und Gebeten.«
    »Was nicht falsch ist«, bekräftigte Anamarna mit ernster Miene. »Aber auf dich wartet ein anderes Schicksal, und du wirst dich an einige Blessuren schon gewöhnen. So wie du auch den Weg herauf zu mir bewältigt hast.« Er zwinkerte ihm zu. »Wenngleich es deinem rotseidenen Rock nicht so gut bekommen ist.«
    Jaryn biss sich auf die Lippe. Also hatte der Meister es doch bemerkt.
    »Nun zu der Prophezeiung. Sie scheint älter zu sein als der Fluch, jedoch im Gegensatz zu ihm ist sie tröstlich, denn sie verheißt, dass der Gebieter der sieben finsteren Kreise endgültig besiegt werden kann. Sie sagt: ›Was war, wird wieder sein.‹ – Dunkle Worte, die niemand mehr versteht. Vielleicht ist es dir gegeben, neben dem Kampf gegen Razoreth auch dieses Rätsel zu lösen und die Prophezeiung
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