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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag
Autoren: Jutta Ahrens
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fragte prompt: »Warum ich?«
    »Der Fluch lastet schon seit langer Zeit auf Jawendor. Du bist der Mann, der ihn vielleicht abwenden kann. Das haben die Priester aus den Sternen und alten Schriften gelesen.«
    Diese Eröffnung schluckte Jaryn wie süßen Wein. Unwillkürlich straffte er seine Schultern, seine Miene wurde ernst und konzentriert. Er war begierig, mehr zu erfahren. Keinen Augenblick zweifelte er daran, dass er der richtige Mann für die Abwehr von Flüchen jeder Art war.
    »Es geht um das Königshaus von Jawendor. Die Dynastie wurde vor langer Zeit verflucht. Jeder Prinz gehört Razoreth, dem Herrn der Abgründe, wenn er diesem nicht vorzeitig entrissen werden kann.«
    Jaryn fröstelte. Razoreth war der Beherrscher der sieben verborgenen Kreise, der siebenfachen Übel des Bösen: Zwietracht, Verrat, Neid, Hass, Mordlust, Wollust und Zerstörungswut. Mit ihm sollte er es aufnehmen?
    »Ein Prinz wurde geboren. Wie du jedoch weißt …«
    »… hat der König gar keine Kinder!«, fiel Jaryn ihm betroffen ins Wort.
    Anamarna nickte. »So ist es. Diesen Widerspruch zu lösen, bist du aufgerufen.«
    »Vielleicht ein Kind, von dem niemand weiß?«
    »Möglich, ja sogar wahrscheinlich, was die Sache noch schwieriger macht, denn schon immer wurden Söhne, die mit Sklavinnen gezeugt wurden, sofort nach der Geburt getötet, um keine Rivalen um den Thron aufwachsen zu lassen.«
    »Sind denn Sklavensöhne ebenbürtige Prinzen?«
    »Wenn sie den König zum Vater haben, durchaus. Die Mütter zählen nicht. – Dir ist der erbarmungslose Brauch bekannt?«
    »Das Töten der Kinder? Nein, ich …«
    »Das meinte ich nicht. Ich sprach von dem Ritual, das stattfinden muss, wenn es mehr als einen Prinzen gibt. Die Brüder müssen miteinander auf Leben und Tod kämpfen, bis einer übrig bleibt, der den Thron besteigt. Es liegt auf der Hand, dass man am Hof diese Bruderkämpfe, soweit möglich, vermeiden wollte, und die hohen Gemahlinnen wollten nicht, dass sich Sklavensöhne mit ihren eigenen messen mussten.«
    Jaryn nickte, als hätte er verstanden. Es war ihm aber recht fremd, was Anamarna ihm erzählte.
    »Sobald der Erbprinz feststeht«, fuhr Anamarna fort, »versucht Razoreth alles, ihn auf seine Seite zu ziehen. Bisher ist ihm das stets gelungen. Gelingt ihm das auch diesmal, so wäre Jawendor für lange Zeit ein Ort des Schreckens. Das Böse würde seine Herrschaft antreten.«
    Jaryn hatte fassungslos zugehört. »Das darf nicht geschehen«, flüsterte er. Gleichzeitig spürte er, wie sich eine unsagbar schwere Last auf seine Schultern senkte. »Bitte sagt mir, was ich tun kann, um das Unheil abzuwenden.«
    »Zuerst muss der Prinz gefunden werden. Er dürfte jetzt bereits erwachsen sein.«
    »Dann hatte Razoreth viel Zeit, ihm das Böse einzuflößen«, gab Jaryn zu bedenken. »Vielleicht schmiedet er bereits finstere Pläne oder hat schon diverse Verbrechen begangen?«
    »Uns ist nichts Derartiges zu Ohren gekommen. Aber die Zeit drängt, das ist wahr. Denn nach seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr gehört er dem Herrn der Abgründe ganz. Dann kann niemand ihn zurückholen, niemand seine finsteren Leidenschaften mildern. Er wird selbst zu einer Kreatur der Finsternis.«
    »Angenommen, ich finde ihn. Was soll ich dann tun? Ihn den Priestern ausliefern? Ihn töten?«
    Anamarna schüttelte den Kopf. »Auf diese Weise raubst du Razoreth nicht seine Beute. Er würde sich notgedrungen ein anderes Opfer suchen und in seinem Zorn, betrogen worden zu sein, noch ärger wüten. Wir haben nur eine Möglichkeit: Jener Prinz muss das Erbe des Abgründigen ablehnen, von sich weisen, sich gegen ihn stellen. Mit einfachen Worten: Er darf dem Bösen nicht verfallen.«
    Jaryn begann zu schwitzen, ihm dröhnte der Kopf, sein Herz klopfte wie ein Schmiedehammer. Das war eine unmögliche Aufgabe. Wie sollte er das bewerkstelligen?
    »Wie viel Zeit habe ich?«, flüsterte er.
    »Zwei Jahre.«
    »Weswegen habt Ihr nicht schon früher mit der Suche nach ihm begonnen?«
    »Weil wir deine Weihe zu einem Erleuchteten abwarten mussten, denn nur dir ist es gegeben, ihn zu finden.«
    »Was hat man in früheren Zeiten getan, um das Unheil abzuwenden?«
    Anamarnas Miene verdüsterte sich. »Gar nichts. Razoreth hat in Jawendor seine Macht ausgeübt, solange wir die Zeit zurückverfolgen können. Beständig ist das Böse gewachsen.«
    Jaryn erschrak. In Jawendor sollte das Böse gewachsen sein? Davon hatte er nie etwas gehört. Wenn er aus dem
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