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Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)

Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)

Titel: Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)
Autoren: Cormac McCarthy
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friedlicher.
    ANWALT
    Ich bin mir nicht sicher, ob Sie meine Lage verstehen.
    JEFE
    Die verstehe ich durchaus, Counselor. Ich habe einen Sohn verloren. Vor zwei Jahren. Ich habe geglaubt, jemand würde anrufen. Um Geld zu verlangen. Aber es kam kein Anruf. Ich habe meinen Sohn nie wiedergesehen. Er war sechzehn.
    ANWALT
    Das tut mir leid.
    JEFE
    Wo man die Leichen in der Wüste vergräbt, ist eine bestimmte Welt, Counselor. Wo man sie einfach auf der Straße liegen lässt, ist eine andere. Das ist ein Land, das mir bislang unbekannt war. Aber es muss schon immer dagewesen sein, nicht wahr?
    ANWALT
    Ich weiß nicht.
    JEFE
    Sí, sí. Con hielo, por favor. Verzeihung. Was sagten Sie gerade?
    Der Anwalt umklammert das Telefon und presst sich mit geschlossenen Augen den Handballen gegen die Stirn. Er öffnet die Augen.
    ANWALT
    Ich weiß nicht, was ich gesagt habe.
    JEFE
    Die Menschen warten. Worauf? Irgendwann muss man anerkennen, dass diese neue Welt endlich die eigentliche Welt ist. Es gibt keine andere Welt. Es ist nicht bloß ein Intermedio.
    ANWALT
    Intermezzo.
    JEFE
    Verzeihung?
    ANWALT
    Intermezzo. Ich glaube, das Wort lautet Intermezzo.
    JEFE
    Intermezzo. Danke, Counselor.
    Schweigen.
    ANWALT
    Werden Sie mir helfen?
    JEFE
    Ich möchte Sie auffordern, die Wahrheit Ihrer Situation zu erkennen, Counselor. Das ist mein Rat. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie hätten tun sollen. Oder nicht tun. Ich weiß nur, dass die Welt, in der Sie Ihre Fehler ungeschehen machen wollen, nicht die Welt ist, in der sie begangen wurden. Sie stehen an einer Kreuzung, und nun glauben Sie, Sie können sich entscheiden. Aber hier gibt es nichts zu entscheiden. Die Entscheidung ist längst gefallen.
    Schweigen.
    JEFE
    Sind Sie noch da, Counselor?
    ANWALT
    Ja.
    JEFE
    Ich möchte Sie nicht verärgern, aber denkende Menschen stehen oft in einer gewissen Distanz zu den Realitäten des Lebens. In unserem Leben einen Ort für die künftigen Tragödien vorzubereiten ist jedenfalls eine Ökonomie, die nur wenige praktizieren wollen. Kennen Sie die Werke von Antonio Machado?
    ANWALT
    Nein. Ich kenne seinen Namen.
    JEFE
    Ein wunderbarer Dichter. Ich glaube, sein Werk lässt sich nicht so gut übersetzen. Aber das Spanisch ist sehr schön. Er war Lehrer und hat eine sehr schöne junge Frau geheiratet, die er sehr geliebt hat. Und sie ist gestorben. Und so wurde er ein großer Dichter.
    ANWALT
    Ich werde bestimmt kein großer Dichter.
    JEFE
    Vielleicht nicht. Aber selbst wenn Sie das vorhätten, wäre es Ihnen nicht von großem Nutzen. Machado hätte jede Zeile, die er jemals geschrieben hat, für eine weitere Stunde mit seiner Liebsten gegeben. Es gibt hier keine Tauschregel, verstehen Sie? Trauer übersteigt jeden Wert. Ein Mann würde ganze Völker dafür geben, wenn sie ihm vom Herzen genommen würde. Und doch kann man nichts dafür kaufen.
    Schweigen. Der Anwalt drückt sich mit geschlossenen Augen das Handgelenk an die Stirn.
    JEFE
    Als ich meinen Sohn verloren habe, habe ich nicht für das gebetet, was ich mir am heftigsten gewünscht hätte. Ich konnte nicht.
    ANWALT
    Für einen schnellen Tod.
    JEFE
    Es tut mir leid.
    ANWALT
    Warum erzählen Sie mir das?
    JEFE
    Weil Sie an dieser Kreuzung stehen, von der wir gesprochen haben. Sie können Ihr Leben der Trauer weihen oder nicht. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Der Mörder würde ebenfalls Anspruch auf Sie erheben, aber das erfordert Ihre Einwilligung. Und natürlich setzt er nichts von sich selbst aufs Spiel. Er strebt danach zu wissen, was der Krieger weiß, aber für den Weg des Kriegers fehlt ihm der Mumm. Er ist ein Usurpator und ein Zuhälter. Und weil er keinen Mut hat, ist er sehr zu fürchten. Er würde das Reich erforschen, dem wir alle verschrieben sind, aber seine Methode besteht darin, einen Boten zu schicken. Sein Opfer mit größter Sorgfalt an den Rand des Abgrunds zu bringen und sich dann vorzubeugen, um festzustellen, ob es etwas Neues gibt. Irgendein Wort in dem Geschluchze. In dem Geblute und den Schreien und dem Grauen. Nicht einmal beim Liebesakt ist man Gegenstand solcher Zuwendung und Fürsorge.
    ANWALT
    Warum erzählen Sie mir das?
    JEFE
    Weil Sie die Realität Ihres Lebens nicht akzeptieren können.
    ANWALT
    Warum kümmert Sie das?
    JEFE
    Lieben Sie Ihre Frau so sehr, dass Sie ihren Platz auf dem Rad einnehmen würden? Nicht für sie sterben. Das ist leicht. Sondern so, dass Sie nicht der Mut verlässt, wenn die Riemen festgezogen werden?
    ANWALT
    Ja. Ja, verdammt
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