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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition)
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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da wir abgemacht haben, nicht in den gegenseitigen Tiefen herumzufischen, wir haben nach vielem Hin und Her festgestellt, dass es besser so ist. Dass nicht alles an die Oberfläche geholt werden muss, um seziert und diskutiert zu werden, denn so war es anfangs, in der schwierigen Anfangszeit, als ich beschlossen hatte, dass das hier mein neues Zuhause sein sollte, während sie sich nicht ganz so sicher war. Jetzt verlangen wir voneinander keine Erklärungen mehr für alles zwischen Himmel und Erde. Aber dennoch: Habe ich etwas gesagt? Getan? Ist dieses Lächeln nicht ein klein wenig herablassend?
    Nein. Nicht. Kein Wort.
    Jetzt bringt sie den Nachtisch, den norwegischen Alltagsnachtisch, sollte ich wohl sagen, es ist ein alter Bekannter aus meiner Kindheit, ein Werktagsfavorit, und zwar Knäckebrot mit Milch, und für mich mit sehr viel Zucker, Mengen von Zucker, während sie so vorsichtig und maßvoll ist … Und während sie gleich mit Essen anfängt, wenn das Knäckebrot noch knusprig und hart ist, mache ich es wie damals, mache ich es wie in Kinderzeiten zu Hause am Küchentisch, ich warte, bis die zerbrochenen Brotscheiben die Konsistenz von feuchter Pappe angenommen haben, ja, wie vom Meer ans Ufer geschwemmte Pappkartons, und Zucker wie Sand, denke ich, Zucker wie Sand, und die süße Milch in der Mundhöhle, es ist so schlicht und genial, und für einen Moment sehe ich vor mir, wie die Klerke, Horst und Evelyn van der Klerk, in unserem Haus hier in Viken eintreffen, zusammen mit den beiden Kindern, nachdem Berit und ich sie zum Essen eingeladen haben. Ja. Zwei Tage zuvor habe ich das Moped genommen, das Dreirad, und bin zum Holländerhaus gefahren, wo sie jetzt mit der Feinarbeit im Haus begonnen haben, ich will nicht viel, eigentlich nichts, es geht nur um eine Einladung zum Essen, jetzt am Mittwoch, oder vielleicht am Freitag. Sie dürfen nichts anderes erwarten als norwegische Alltagskost, zum Beispiel geräucherten Schellfisch mit Möhren und zerlassener Butter, und zum Abschluss Knäckebrot mit Milch. Was, wie ich mir jetzt insgeheim einbilde, auf sie doch einigermaßen exotisch wirken muss, oder jedenfalls fremd und spannend.
    Es ist nur ein Gedanke, mit dem ich hier herumspiele. Es wird nichts dabei herauskommen. Wir sind nicht so. Wir laden niemanden ein, und wir sind damit zufrieden. Wir kümmern uns um unsere eigenen Angelegenheiten, und ein Tag ist wie der andere. So wollen wir das.
    Und jetzt, als ich fast fertig bin, kommt Bendik Haga mit seinem Bus vorbei. Schon unten in der Senke und noch lange, nachdem er hinter der Scheune verschwunden ist, drückt er auf die Hupe. Pumpt er an der Hupe herum.
    »Kümmer dich nicht um ihn«, sagt sie. »Bitte!«
    Der Abwasch gehört mir. Meine bevorzugte Hausarbeit. Ich mag diese stille halbe Stunde nach dem Essen. Berit, die im Wohnzimmer beschäftigt ist. Das Geräusch des Radios oder einer Jazzplatte. Die Hände im heißen Seifenwasser. Das scharfe Licht der Leuchtröhre unter dem Hängeschrank. Ich bin gründlich. Wenn ich fertig bin, ist alles leuchtend sauber und eingeräumt. Anrichte und Tisch sind abgewischt. Und der Umgang mit dem heißen Wasser im Becken scheint mich umzuwerfen, denn nach der Arbeit bin ich immer zum Umfallen müde. Die soeben verzehrte Mahlzeit spielt natürlich auch eine Rolle, aber etwas liegt auch an diesem trüben warmen Wasser. Eine Art Ur-Erinnerung, denke ich ab und zu. Etwas, das seit den Zeiten vor der Zeit in den Genen lagert, seit den seichten Pfützen, in denen das Leben auf Erden angeblich seinen Anfang genommen hat. Das ist zumindest eine Theorie, auf die ich mehrmals gestoßen bin, und die mir plausibel erscheint. Seichte Pfützen, die von der Sonne angewärmt werden. Eine Zelle, die sich teilt, oder die mit einer anderen verschmilzt. Wir sind in Gang.
    Ich bin Lilly nie begegnet. Trotzdem lege ich mich fast jeden Tag um diese Zeit in ihr Bett. Ja, nicht selten komme ich auch nachts her. Wie der Kater habe ich mehrere Stützpunkte. Alles geht nach Lust und Laune. Aber um diese Zeit, nach dem Essen, müde und satt von Essen und Abwasch, ist das hier mein Lieblingsort. Lillys enges Mädchenzimmer. Das schmale Bett unter dem schrägen Dach. Es kommt vor, dass ich die Astlöcher in der Täfelung betrachte, oder die Löcher der Heftzwecken, die die Bilder von Popstars festgehalten haben. Und dann denke ich, dass sie so gelegen hat, wie ich jetzt hier liege, aber mit anderen Gedanken und Träumen. Die Kleine. Später die
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