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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition)
Autoren: Andreas Winkelmann
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wie von einer Computertastatur.
    Vorsichtig schob ich den Vorhang mit dem Lauf der Waffe beiseite. Dahinter lag ein kleiner quadratischer, fensterloser Raum. Die Decke war hier kaum zwei Meter hoch und mit Holz verkleidet. Es war sehr warm. Obwohl die Ventilatoren an der Decke mit voller Kraft rotierten, schafften sie es kaum, die stickige Luft in Bewegung zu halten. Der Raum war von einem Surren erfüllt, das jedoch nicht von den Ventilatoren stammte, sondern von einem schrankgroßen Rechner. An dessen Front blinkte eine Vielzahl von roten, gelben und grünen Lämpchen. Mehrere Dutzend Kabel verbanden Platinen miteinander. Ein dicker bunter Kabelstrang führte aus dem Rechner heraus hoch in die Decke. Ich musste an den Schaltkasten denken, den ich oben im Flur gesehen hatte.
    Direkt vor mir glotzte mich die Deathbook-Maske an. Ich erschrak, aber beim näheren Hinsehen sah ich, dass sich Quindt die Maske in den Nacken geschoben haben musste. Er saß mit dem Rücken zu mir auf einem Drehstuhl und trug einen weißen Kittel, der ihm ein wenig zu eng zu sein schien, denn er spannte auf dem Rücken.
    In einem irrsinnigen Tempo bewegten sich seine Finger über die Tastatur. Vor sich hatte er drei große Computerbildschirme. Datenkolonnen rieselten in Fäden von oben nach unten. Grüne Ziffern und Buchstaben, die in einer von Quindt bestimmten Geschwindigkeit vorbeizogen.
    Es war ein gespenstisches Bild.
    «Quindt, lassen Sie das!», schrie ich.
    Der große, massige Körper rührte sich keinen Millimeter, die Finger flogen weiter über die Tastatur.
    «Los, vom Computer weg!», versuchte ich es erneut.
    «Sie können mich stoppen, aber nicht das Deathbook», sagte er. Er hatte eine warme und angenehme Stimme. Es wirkte, als käme sie direkt aus der Maske, die sich beim Sprechen geisterhaft bewegte. Vermutlich hatte er sich den Riemen um den Hals geschlungen.
    «Die ganze Welt lechzt nach dem, was das Deathbook bietet, und auf der ganzen Welt gibt es Menschen wie mich, die ihren Beitrag leisten wollen. Das Netzwerk ist längst installiert, und niemand kann etwas dagegen tun.»
    Er lachte laut auf.
    «Die Menschheit erschuf das Internet, und jetzt kann sie es nicht mehr kontrollieren, geschweige denn abschalten. Ich erschuf das Deathbook, und die Menschheit wird es fortführen.»
    Er tippte stoisch weiter seine Datenkolonnen in den Rechner. Ich erinnerte mich an Jans Worte. Er hatte den Deathbook-Killer für ein Genie im Umgang mit Computern gehalten. Computer konnten heutzutage Atomkraftwerke stilllegen, Regierungen infiltrieren und Kriege führen. Es brauchte dazu nur den Willen eines Menschen und die entsprechenden Fähigkeiten.
    Plötzlich wurde mir heiß und kalt zugleich. Panik erfasste mich. Was Quindt in diesem Moment mit seinen Fingern anrichtete, erschien mir weit schlimmer als die vielen Morde, die er begangen hatte.
    «Quindt, ich sage es zum letzten Mal: Hören Sie auf.»
    «Sie verstehen nicht, was der Tod ist, Schriftsteller, nicht wahr? Ich verrate es Ihnen: Der Tod ist der Wille der digitalen Legion. Er ist die Summe ihrer Begierde und die Quintessenz ihres moralischen Verfalls. Niemand kann das aufhalten.»
    «Oh doch», sagte ich.
    Dann hob ich die Waffe und schoss das Magazin leer.

[zur Inhaltsübersicht]

    A m 5 . Dezember erblickte Karl Christian Rochus in der Geburtsstation des Marienkrankenhauses von Vechta das Licht der Welt. Sein Nachname lautete Künstler. Schon bei der Geburt wog er mit 4200 Gramm deutlich mehr als die meisten anderen Kinder. Und auch danach verlief sein Leben nicht wie das der meisten. Bis zum fünften Lebensjahr lebte er bei seiner Mutter Constance und seinem Vater Heinrich Siegbert Elias Künstler. Es war ein Leben an der Armutsgrenze, daran änderte auch die adlige Herkunft der Familie nichts. Der Vater verkaufte erfolglos Immobilien, die Mutter zog das einzige Kind auf und versuchte sich in der Ölmalerei. Später wurden ihre Bilder ausgestellt. Mit der Zeit machte sie sich einen Namen und wurde immer erfolgreicher.
    Heinrich Künstler war ein cholerischer Mann, der zu spontanen Wutanfällen neigte. Am 13 . März 1992 hatte er wegen Körperverletzung bereits zweimal im Gefängnis gesessen und war psychiatrisch begutachtet worden, doch eine Gefährdung für sich und andere konnte der Gutachter nicht feststellen.
    An diesem 13 . März belehrte Künstler den Gutachter eines Besseren.
    In der eigenen Villa, das Einzige, was ihm aus seinem Familiennachlass geblieben war,
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