Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Autoren: Y Woon
Vom Netzwerk:
Gideon trat um den Rand der Grube herum; Dante folgte ihm und versuchte, ihn mit der Schaufel zu treffen. Jedes Mal, wenn Dante nach ihm schlug, schien sich Gideon genau im richtigen Moment zu entziehen – ein Schritt, ein Sprung, ein Wedeln; die beiden waren wie zwei Tänzer, die einer komplizierten Choreografie folgten.
    Ich umkreiste sie, als Dante die Schaufel über Gideons Kopf erhob. Ich kniff die Augen zu – ich wollte nicht sehen, wie es endete. Aber gerade als Dante die Schaufelauf Gideons Schädel fallen ließ, duckte sich der und entriss Dante die Schaufel. Sie zersplitterte in tausend Späne.
    Der Rest ging schnell. Gideon sprang auf Dante zu, packte ihn am Nacken und warf ihn zu Boden, um ihn dann gefährlich nahe an den Rand des Lochs zu schieben. Da hineinzufallen hätte Dantes Ende bedeutet. Er konnte nicht unter die Erde und das Loch war mindestens vier Meter tief. Ich würde ihn da auch kaum herausbekommen, bevor Gideon sich meine Seele geholt hatte. Entsetzt musste ich nun mit ansehen, wie Gideon über Dante schwebte, eine Hand um seinen Hals. Ich musste etwas tun. Ich war ein Wächter. Ich musste mit so etwas umgehen können.
    Ohne nachzudenken, griff ich nach einem großen Holzsplitter von Dantes Schaufel und näherte mich den beiden von hinten. Mit aller Wucht, die ich aufbringen konnte, stieß ich ihn in Gideons Rücken.
    Überrascht fuhr er herum, riss sich den Splitter aus dem Rücken und stakste auf mich zu. Sein zerfetztes Hemd war blutverschmiert. Ich schob mich nach hinten, als er mir mit dem Schaufelrest in der Hand immer näher rückte. Gerade als ich die Augen schließen wollte, stürzte sich Dante von hinten auf ihn. Gideon brach über mir zusammen und trieb den Holzsplitter unter meine Haut. Ich krümmte mich und versuchte, mich zu befreien, während sie auf mir rangen und damit den Holzsplitter noch tiefer in meinen Bauch hineinrammten.
    Meine Lider flatterten und langsam schien das Stöhnen zu verklingen. Als ich meine Augen zufallen ließ, hörte ichDante meinen Namen rufen. Er umklammerte meine Hand und schon stürzten wir beide durch das Absperrband in das tiefe, staubige Loch.
    Mit einem Aufschrei riss ich mir den blutigen Splitter aus dem Leib und schlug die Augen auf. Ich lag auf einem Haufen Erde und Gestein am Grund der Katakomben unter der großen Eiche. Am anderen Ende der Höhle lag Gideon, schlaff und leblos.
    »Dante?« Meine Stimme hallte durch die Dunkelheit und ich wühlte mich durch die Erde, bis ich seinen Arm neben mir fühlte. »Dante!« Ich fegte die Erde von ihm hinunter und versuchte, ihn aufzuwecken. »Wir sind unter der Erde«, flüsterte ich. »Was soll ich jetzt tun?« Er war kaum noch bei Bewusstsein.
    Ich nahm all meinen Mut zusammen, wischte mir den Dreck vom Gesicht und stand auf. »Keine Angst«, sagte ich beim Versuch, ihn aufzurichten. »Ich bring uns hier raus.« Aber so sehr ich mich auch abmühte, er war einfach zu schwer für mich. Da sank ich zu Boden und vergrub mein Gesicht in seinem Hemd.
    »Dante, wach bitte, bitte auf«, flehte ich. »Ich bin nicht stark genug. Ich kann dich nicht raustragen.«
    Wie von reiner Gedankenkraft beherrscht, bewegten sich seine Lippen. Ich sah, wie sie sich leicht öffneten, zu einem schwachen Atemzug. Und wie ich so neben ihm saß und ihm beim Sterben zusah, wusste ich plötzlich, was ich zu tun hatte.
    Warum freut man sich seines Lebens am meisten, wenn man im Begriff ist, es zu verlieren? Ich konnte Dante nur retten, indem ich ihm meine Seele gab. Ich würde sterben.Merkwürdigerweise fühlte ich mich nur noch lebendiger, als mir das richtig bewusst wurde. Ich rief mir meine Welt ein letztes Mal vor Augen. Irgendwo weit in der Ferne saß Annie gerade beim Abendessen mit der Familie, mein Großvater trank Tee und sah sich die Spätnachrichten an und auch die letzten Mädchen auf meinem Stockwerk waren inzwischen fertig mit ihren Hausaufgaben und ins Bett geschlüpft. Zwischen uns lagen jetzt Welten. Ihnen blieb die Zeit, das alles ganz selbstverständlich zu nehmen – die kleinen Schönheiten des Lebens, die mir jetzt schon fehlten: den ersten kühlen Atem des Herbsts; die leere Stille, die entstand, wenn man den Fernseher ausschaltete; den Duft eines Brathähnchens im Ofen. Für mich existierten diese Dinge nur noch in meinem Kopf. Und selbst da würden sie bald nicht mehr sein.
    Meine Augen wanderten über Dante, ein letztes Mal – seine Nase, seine Lippen, seine Augen, die jetzt geschlossen waren. Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher