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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Autoren: Viktoria Benjamin
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einrichten?«, wunderte sich Gina. »Gab es da keine Bürgerproteste?«
    Barhaupt zuckte die Schultern. »Na ja, man war’s nicht so gewohnt zu protestieren … Und Arbeitsplätze hätt’s gebracht. Inzwischen würden wir so ziemlich alles tun, damit Grauenfels wieder auf die Beine kommt.«
    Berit guckte verträumt. »Atomkraft ist Zukunft …«
    »Halt die Klappe!«, zischte Gina ihr zu.
    »Was meinten Sie?«, fragte Herr Barhaupt.
    »Das mit den Brennstäben ist keine so gute Zukunftsperspektive«, meinte Berit. »Wie wäre es denn mit Museen? Gibt es da irgendetwas? Oder hatten Sie vielleicht mal so was wie … einen prominenten Mitbürger?«
    Barhaupt überlegte. »Hermann Löns war mal hier«, bemerkte er dann.
    »Und?«, fragte Gina.
    »Nichts und. Er war nur mal kurz da. Soll eine Freundin hier gehabt haben.«
    »Aha«, Berit richtete sich auf. »Da wird es doch schon interessanter. Eine heiße Affäre? Neben seiner Ehe? War der Typ überhaupt verheiratet? Wann hat er gelebt? Kann man da eine Ost-West-Geschichte draus bauen?«
    »Sie war wohl mehr eine Brieffreundin«, schränkte Barhaupt ein. »Adelgunde Leibgast. Er hat ihr geschrieben.«
    »Was hat er ihr geschrieben? Liebesbriefe? Gibt’s die noch? Vielleicht in ihrem Haus? Eine Heideecke im Innenhof? Hat er ihr vielleicht Lieder gewidmet?« Vor Ginas innerem Auge entstiegen Touristenschwärme den bekannten, klimatisierten Luxusbussen. Ein Löns-Leibgast-Museum musste her, mit Fotos und gerahmten Liebesbriefen. Dazu konnte man Liederabende organisieren, Innenhöfe mit Heideecken versehen und Briefpapier mit gepresstem Heidekraut verkaufen. Gut, Löns war nicht gerade der heißeste Tipp in Sachen Promi-Tourismus, aber wenn man es geschickt anfing …
    »Sie war Diakonisse. Hat ihn wohl mal gepflegt, als er krank war. Und dann hing er irgendwie an ihr«, erzählte Barhaupt weiter.
    Ginas Fantasien fielen in sich zusammen.
    Auch Berit, die gerade einen Slogan formulieren wollte, blieb dieser im Halse stecken …
    »Also eine Affäre können wir dem Mann nicht anhängen.« Gina seufzte und stand auf. »Mal ganz abgesehen davon, dassLöns’ Love mit der Nonne keinen Touri von der Diana-und-Dodi-Gedächtnisrundfahrt weglockt. Vergessen wir die Promi-Schiene. Gucken wir uns lieber den Wald an. Und den Steinbruch. Vielleicht fällt uns ja dazu was ein.«
    Während die beiden Barhaupt zu seinem Auto folgten – sein alter Opel kam mit den Straßen rund um Grauenfels sicher besser zurecht als Berits kleiner Flitzer –, besprachen sie die Alternatividee Industrieansiedlung. Wie sich herausstellte, hatte Barhaupts Vorgänger im Bürgermeisteramt hier schon alle Register gezogen. Bevor sich aber irgendein Betrieb in Grauenfels ansiedelte, musste zunächst die Infrastruktur gefördert werden. Hier waren allerdings kaum Zuschüsse zu bekommen, solange es keinen Anflug von Interessenten gab. Grauenfels lag schlicht zu abgelegen, hatte keine industrielle Vergangenheit, keine Fachkräfte in irgendeinem Berufszweig, nicht mal ein ausgewiesenes Industriegebiet. Im Nachbarort Tatenbeck entstand jetzt immerhin eine Tierverwertungsfabrik.
    »Die kriegen die Arbeitsplätze, wir den Gestank«, schimpfte Barhaupt. Gina und Berit sahen sich an. Keine guten Aussichten für Tourismusbetriebe. Schließlich standen sie deprimiert im Grauenfelser Forst, dessen Baumbestand die Bezeichnung Wald allerdings kaum verdiente. Zu viele Bäume waren in der Vergangenheit gefällt worden.
    »Der Forst sollte dieses Jahr eigentlich komplett abgeholzt werden«, meinte Barhaupt. »Um den Steinbruch auszuweiten. Aber dann hieß es, das sei unrentabel. Anderswo gibt’s billigeren Kies. So ist das halt.«
    Das Wäldchen schien noch nicht ganz überzeugt von seiner überraschenden Rettung. Die Einöde des angrenzenden Steinbruchs setzte die Bäume gnadenlos dem Nordwind aus. Sie wirkten zerzaust und erschöpft vom Kampf gegen Mensch und Naturgewalten. Rex machte Anstalten, an einer kraftlosen Tanne das Bein zu heben, überlegte es sich dann aber anders. Hatte er Skrupel?
    »Vielleicht eine Waldbühne?«, überlegte Berit halbherzig. »Für irgendwelche Festspiele?«
    »Was willst du denn hier aufführen?«, fragte Gina. »›Die Wüste lebt?‹ – wir könnten natürlich mal nachgucken, ob Franz Xaver Kroetz ein Stück übers Waldsterben geschrieben hat. Diese Bäume wären da die Traumbesetzung.«
    »Ich müsste mal wieder ins Geschäft«, meinte Herr Barhaupt. »Oder möchten Sie noch die LPG
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