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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sagte er finster, als er a m F euer vorbei auf den Ausgang der Höhle zuschritt. Niccolo folgte ihm durch steinerne Gänge und Treppenhäuser nach oben.
    Als sie ins Freie traten, ging die Sonne auf und vertrieb den Mond vom Himmel.
    * * *
    Es wurde noch einmal ein Wettlauf mit der Zeit, doch zuletzt blieben sie Sieger. Der Mond drohte zu verblassen und mit ihm die Lichtkreise, die durch die Wunden des Aethers auf das Dünenmeer fielen. Als die beiden Kraniche landeten und Guo Lao das reglose Mädchen ins Licht trug, waren die hellen Flecken im Sand kaum mehr zu erkennen.
    Niccolo spürte ein seltsames Prickeln und Ziehen. Er kannte den Grund. Er war jetzt ebenso süchtig wie Mondkind. Guo Lao mochte glauben, dass er ihn gerettet hatte, indem er ihn gerade noch rechtzeitig aus dem Licht gezogen hatte. Doch Niccolo wusste es besser. Die Sehnsucht nach dem reinen Mondschein war jetzt ebenso in ihm verankert wie in Mondkind. Er fragte sich, ob und wann der Aether ihm seine Bedingungen stellen würde. Und auf welchem Wege. Was würde in einem Monat mit ihm geschehen, wenn er sich dem Licht nicht abermals ausset z te?
    Er würde Antworten auf diese Fragen erhalten, früher oder später. Und, überhaupt – in einem Monat mochte viel gesch e hen. Vielleicht war die Welt dann bereits un tergegangen. So wie die Wolkeninsel. Schlagartig überkam ihn ein solches Zittern beim Gedanken an seine Heimat, an Alessia und die anderen, dass er auf den letzten Metern beinahe zusammengebrochen wäre.
    Guo Lao legte das Mädchen in den fahlen Kreis aus Mon d licht.
    Die Veränderung setzte im selben Augenblick ein, als das Licht Mondkinds Haut berührte. Niccolo stand gebeugt auße r halb des Scheins, die Arme auf die Oberschenkel gestützt. Silberdorn auf seinem Rücken verlieh ihm Kraft, aber sie reichte gerade aus, ihn aufrecht zu halten . Die Klinge verhielt sich jetzt ruhig, zog weder in Mondkinds, noch in Guo Laos Richtung. Im Augenblick verspürte er selbst dem Xian gegenüber nichts als diffuse Dankbarkeit.
    Ihr Körper erstrahlte, als sei ein viel grelleres, loderndes Licht darauf gefallen. Niccolo kniff die Augen zusammen, kämpfte aber gegen den Drang an, den Blick abzuwenden. Verschwo m men sah er, wie ihre gleißenden Umrisse zerflossen, sich wieder bündelten und dabei erneut ihre Silhouette bildeten: den schlanken Körper eines liegenden Mädchens, ein Bein angewi n kelt, das andere ausgestreckt, die Arme vor der Brust zusammengekrampft.
    Mit geschlossenen Augen ruhte sie auf der Seite, eine Wange im Sand, während ein Blutfaden aus ihrem Mundwinkel tränte. Das weiß glühende Licht um sie herum ebbte ab und erstarrte wieder zu einer Flut aus weißer, blutgetränkter Seide.
    Sonnenstrahlen stachen über die Kuppen der umhegenden Dünen, berührten als Ersten Guo Lao, dann Niccolo und Mondkind. Das Blut aus ihrer Wunde schien sich über den Himmel zu ergießen, als aus dem morgendlichen Violett ein flammendes Rot wurde. Die Lichtflecken auf dem Sand lösten sich endgültig auf. Die Sterne waren längst verblasst, der Mond trieb leichenblass auf einem Ozean aus rotem Feuer.
    Guo Lao blickte auf Mondkind hinab. Seine Züge waren leer, ohne jede Gefühlsregung. » Ich habe dir gesagt, dass das Licht sie nicht retten kann. «
    Niccolo wusste selbst nicht, was er erwartet hatte. Hilflos sah er zu, wie die Seidenbahnen in Bewegung gerieten, sich unter Mondkinds Körper durch den Sand gruben, sie einwickelten und sich zu einem weiten Gewand verflochten. Andere Bahnen machten sich daran, die Wunde zu verschließen, aber das hatten sie bereits vor Tagen versucht, als sie sich die Verletzung zugefügt hatte. Auch die Seidenmagie war machtlos gegen die Klinge des Götterschwertes.
    Niccolo legte all seine Verzweiflung in einen zornigen Schrei. Er riss Silberdorn aus der Rückenscheide und schleuderte es ziellos von sich. Rotierend flog die Klinge davon und grub sich in einen Dünenhang. Bis zum Griff verschwand sie im Sand und blieb stecken.
    Guo Lao wollte darauf zugehen und das Schwert an sich nehmen, doch da schoss es bereits aus eigener Kraft in einer Staubexplosion himmelwärts, wurde für einen Augenblick vor dem leuchtenden Rot des Sonnenaufgangs unsichtbar – und raste dann wie ein silbriger Blitz auf Nic colo herab. Ein heftiger Ruck warf ihn fast nach hinten, als das Schwert in die Scheide zurückkehrte wie eine Taube in den Schlag ihres Herrn.
    Guo Lao stieß ein verblüfftes Keuchen aus, machte aber keine Anstalten mehr,

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