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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus
Autoren: Judith Lennox
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habe noch jedes Wort im Kopf, das der Arzt zu mir gesagt hat. ›Meiner Meinung nach können Sie nicht mit Sicherheit davon ausgehen, Mrs. Merchant, daß ein zweites Kind nicht ähnlich behindert wäre.‹ Ich kann nicht behaupten, daß mich das überrascht hat. Es war einer der Gründe – einer der vielen Gründe –, warum ich immer gesagt habe, daß ich nie wieder heiraten würde.«
    Sie drehte sich um und sah Robin an. »Du verstehst doch, daß ich das Hugh nicht antun konnte? Ich hatte sowieso schon seit Monaten immer wieder Anläufe genommen, die Verlobung zu lösen. Aber irgendwie habe ich es nie geschafft. Mir war klar, daß ich ihn irgendwie dazu bringen mußte, mich zu hassen. Und das habe ich dann versucht. Es hat geklappt. Nur zu gut. Viel zu gut.« Ihre Stimme war voller Schmerz. »Ich hatte keine Ahnung, daß Hugh nach Spanien gehen würde, Robin. Wirklich nicht.«
    Das lange Schweigen wurde erst gebrochen, als sich die Tür öffnete. Das kleine Mädchen hinkte herein, in der gesunden Hand einen Teller mit zwei Stück Kuchen.
    Maia sagte: »Ich gehe bald aus England weg, Robin. Ein Freund hat mir den Vorschlag gemacht, mit ihm zusammen in New York ein Geschäft zu eröffnen. Das ist für mich die Chance zu einem Neubeginn. Ich will nicht länger hierbleiben. Hier hält mich nichts. Maria und Mrs. Fowler nehme ich mit, und dann such ich drüben ein Haus für uns drei. Keine Geheimnisse mehr. Ich habe genug von Geheimnissen.«
    Als Maia Maria auf den Arm nahm und sie küßte, wußte Robin, daß sie sich in einer Hinsicht getäuscht hatte. Maia war doch fähig zu lieben.
    Alle sagten Robin, die Zeit heile alle Wunden, aber sie glaubte es nicht. Man begann nur, sich an die Situation zu gewöhnen. Man erwartete nicht mehr, daß die Schritte auf der Treppe die Joes waren; man glaubte nicht mehr, daß der Mann, den man auf einem Spaziergang in den Fens am Gatter lehnen und seine Pfeife rauchen sah, Hugh sei. Manchmal bedauerte sie es sogar, daß die Zeit dieser kleinen schmerzhaften Augenblicke vorüber war. Durch sie hatten die Menschen, die sie liebte, ein wenig länger gelebt.
    Weihnachten war es am schlimmsten. Wie alle – sie, ihre Eltern, Merlin und Persia – versuchten, im Haus eine Stimmung festlicher Betriebsamkeit vorzutäuschen. Richard und Daisy sprachen flüchtig davon, wieder nach London zu ziehen, aber Robin war ziemlich sicher, daß sie in Blackmere Farm bleiben würden. Sie würde sich nie an die Veränderung gewöhnen, die mit ihren Eltern vorgegangen war – an Daisys Abhängigkeit von ihr, an Richards altes, müdes Gesicht. Sie würde sich nie daran gewöhnen, daß sie jetzt ihr einziges Kind war. Manchmal war ihre Liebe bedrückend.
    Sie besuchte Helen in Richmond und schrieb Maia nach Amerika. Sie wußte, daß sie sich auseinandergelebt hatten. Nur manchmal spürte sie die Bande, die sie noch miteinander verknüpften, mehr noch vielleicht als eine gemeinsame Vergangenheit die gemeinsamen Geheimnisse.
    Sie mußte hart arbeiten; manchmal lernte sie bis Mitternacht. Sie wurde nicht wie eine der anderen Frauen in ihrem Kurs beim Anblick einer Leiche, die sie sezieren mußten, ohnmächtig, und auch über die gelegentlichen Sticheleien der männlichen Kommilitonen oder die Hochnäsigkeit mancher männlicher Dozenten konnte sie sich nicht mehr aufregen. Sie arbeitete mit der hartnäckigen Beharrlichkeit, die, wie sie mittlerweile erkannt hatte, ihr größter Vorzug war. Sie wußte, daß sie sich auf Pädiatrie spezialisieren würde. Maias behinderte Tochter und die vielen anderen Kinder – die Kinder, die sie in Spanien und in der Klinik betreut hatte, die kleine Mary Lewis in ihrem Hundekorb –, das waren Eindrücke, die sie nicht mehr los wurde. Nachdem sie in der Krankenhausbibliothek zahllose Bücher gewälzt hatte, war sie ziemlich sicher, daß Marias Behinderung eher auf die schwere Geburt als auf eine erbliche Veranlagung zurückzuführen war. Sie behielt ihre Überzeugung für sich, doch flüchtig flackerte etwas von ihrer früheren leidenschaftlichen Kampfbereitschaft wieder auf. Immer noch starben Frauen, weil sie ihre Kinder unter Bedingungen zur Welt bringen mußten, die allen Geboten der Hygiene widersprachen; immer noch wurden Kinder durch inkompetente Ärzte und Hebammen unnötig geschädigt. Wenn sie auch nicht mehr glaubte, die Welt verändern zu können, so meinte sie doch, auf ihrem Gebiet zu kleinen Verbesserungen beitragen zu können.
    Ende Februar begann es in dicken
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