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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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Strand entlang
laufen sehen.
    Selbst der Prete Rosso habe ganz
verstört gewirkt und habe dann drei Tage auf ein Schiff gewartet, das ihn nach
Port’Ercole bringen sollte. Den Landweg habe er gescheut, da die Maremmenküste
zwischen Palo und Port’Ercole für ihre fiebrigen Sümpfe bekannt sei.
    Die merkwürdige Last des Fuhrwerks
begann Nerina nun doch zu interessieren. Zwar konnte sie nicht genau sehen, was
der Ochsenkarren geladen hatte, weil der einachsige Wagen hohe Seitenwände
besaß und so von ihrem Ort aus nicht eingesehen werden konnte, aber wenn sie
sich nicht täuschte, baumelten von der kurzen Pritsche des Anhängers Beine
herab. Brachte der Ochsenkarren einen Toten? Sicherlich nicht, denn mit einer
Leiche hätte er schwerlich das Tor passieren dürfen. Also musste die Person
noch leben.
    Auch Michele musste noch leben. Sie
fühlte es. Ein eigenartiges Band schien sich in den Jahren zwischen ihr und
Michele entwickelt zu haben, sodass sie mit Bestimmtheit sagen konnte, dass er
lebte, dass er dachte und fühlte und ...
    „Enrico!“, rief sie aus einer
Eingebung heraus. „Enrico!“
    Mühsam erhob der sich aus dem
Schatten. Sie sah ihm an, dass er aus einem tiefen Schlaf erwacht war.
    „Danke fürs Wecken. Ich habe
geträumt, dass mir Michele seine Farbpalette an den Kopf wirft! Keine schöne
Vorstellung, kein schöner Traum!“
    „Sieh dir das an, Enrico!“
    Mit ausgestrecktem Arm deutete
Nerina auf den Ochsenkarren, aus dessen hinterer Laderampe tatsächlich zwei
Beine hervorschauten und im Schritt des Ochsen hin und her baumelten.
    „Gut. Ich sehe nach“, meinte Enrico
und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hemd und Hose wiesen am Rücken
dunkle Schweißflecken auf, und sein Gesicht wirkte nach dem unerquicklichen
Schlaf zerknautscht und farblos.
    Selbst Pater Leonardus hatte die
Hafenstadt noch nicht erreicht. Möglicherweise war er Michele doch zu Fuß
nachgefolgt oder hatte ein Pferd genommen. Jedenfalls hatten sie beide seine
Spur in Palo verloren und in Port’Ercole noch nicht wiedergefunden.
    Endlich erreichte der Karren den
Platz, an dem Nerina wartete, und das erste, was sie sah, war das Gesicht des
Bauern, der erstaunt zu ihr hochblickte.
    „Pater Leonardus!“
    Dieser gab sich überrascht, lachte
verlegen und blickte suchend um sich, bis er Enrico entdeckte, der hinter den
Karren getreten war und auf die Pritsche spähte.
    „Nerina. Komm her!“
    In Nerina stieg kein gutes Gefühl hoch,
als sie Enricos Gesicht sah, wie er sich über den Körper auf dem Ochsenkarren
beugte.
    Mit einem Ruck stand der Ochse.
Verlegen gesellte sich der Pater zu Nerina, die jetzt, Tränen in den Augen,
neben Enrico stand.
    „Michele!“
    Fieberglänzend und nass wie ein ins
Wasser getauchter Lumpen lag Michele auf dem Wagen. Zwischen den Seitenholmen
spannte sich ein Tuch und schenkte etwas Schatten. Sofort berührte Nerina
Micheles Stirn. Die glühte. Aus halb offenen Augen blickte er starr vor sich
hin und reagierte weder auf seinen Namen, noch auf Streicheln oder andere
Berührungen.
    „Ich habe ihn in einem der
Sumpfgebiete aufgelesen. Zuerst sind wir noch mit dem Pferd weiter, dann habe
ich es gegen einen Karren eingetauscht, weil er sich nicht mehr auf dem Pferd
halten konnte. Jetzt sind wir hier.“
    Ihre Unterlippe vollführte
flatternde Bewegungen. Sie wusste nicht, wie sie ihrer Erregung Herr werden
sollte. Michele lebte, ja, aber er hatte Port’Ercole mehr tot als lebendig
erreicht.
    „Liegt die Feluke im Hafen? Sind
die Bilder dort?“
    Es bedurfte nur dieser Frage des
Paters, und Nerina kochte über.
    „Seht Ihr denn nicht, dass wir
Wichtigeres zu tun haben, als auf die Bilder Rücksicht zu nehmen? Wenn Michele
nicht überlebt, braucht Ihr auch keine Bilder mehr. Los, helft uns, ihn zu
unserer Hütte am Hang zu bringen. Dort weht wenigstens gegen Abend etwas der
Wind.“
    Pater Leonardus schien zu
schrumpfen, ohne dass ihr Ausbruch ihm sonderlich zusetzte. Nur ein verlegenes
Lächeln huschte ihm übers Gesicht und ließ die dünne Staubkruste bröckeln, die
sich auf den Wangen gebildet hatte.
    „Jeder setzt andere Schwerpunkte.
Ankert die Feluke noch im Hafen?“
    Enrico drehte sich zum Pater um.
    “Hol Euch der Teufel!“, fuhr er ihn
an. „Schaut doch selbst nach!“
    Dann nahm Enrico den leblosen
Körper, der mager und dürr auf seiner Schulter zu liegen kam, und stapfte
davon, mitten hinein in die bräunliche Macchia, und folgte einem Pfad, der zu
der Hütte
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