Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
»Bitte nicht.«
    Â»Ein königliches Urteil – in der Tat«, bemerkte sie. »Der Junge und der König sind Cousins dritten Grades. Trotzdem ist er keiner der direkten Nachfolger. Unter solchen Voraussetzungen könnten wir uns wahrscheinlich alle königlich nennen.«
    Â»So sind die Zeitungen.« Roderick war bei seinem Lieblingsthema angelangt. »Sie bauschen alles auf. Auf die Weise hat der Fall ihre Auflage in die Höhe getrieben. Ich sollte so was wie Prozente bekommen.«
    Â»Trotzdem«, sagte Jane. »Oh, sieh mal, hier ist sogar ein ganz gutes Bild von ihm. Das ist ungewöhnlich. Eigentlich gar kein so übel aussehender Bursche, sofern man ihn im rechten Licht betrachtet. Obwohl mir die Kieferpartie der Hannoveraner noch nie gefallen hat. Mir scheint, keiner von ihnen hat ein Kinn.«
    Â»Jane«, sagte Roderick, »der Mann wurde wegen des Mordes an einem Polizisten angeklagt, nicht aufgrund der ästhetischen Mängel seines Aussehens.«
    Â»Es ist trotzdem traurig, oder?«, fragte sie. »Er ist erst so alt wie Gareth. Wenn dann der Rest des Lebens …« Sie taxierte ihren Mann, dessen Miene nichts verriet. »Es ist bedauerlich, ganz gleich, was mit ihm geschieht oder wie das Urteil ausfällt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie seine Mutter sich fühlen muss, wie ich mich fühlen würde, wäre unser Sohn in so einer Lage. Ich weiß, dass es ein furchtbares Klischee ist, aber in so einem Fall kann man gar nicht anders, als den Eltern die Schuld zu geben. Sie müssen ihm ein schlechtes Vorbild gewesen sein.«
    Â»Unser Sohn würde nie in derartige Schwierigkeiten geraten«, betonte Roderick. »Trotzdem spielt es keine Rolle, wer der Angeklagte ist. Gesetz ist Gesetz. Ob man des Königs Cousin dritten Grades ist oder der jüngste und unehelichste Sohn eines Fischhändlers aus Cockfosters. Gesetz ist Gesetz«, wiederholte er.
    Jane nickte und warf die Zeitung wieder aufs Bett. »Die lese ich im Auto«, erklärte sie. »Jetzt wird es Zeit für mein Bad. Man kann übrigens nicht der Unehelichste sein«, fügte sie hinzu, denn in puncto Grammatik nahm sie es gern genau. »Da gibt es keine Superlative. Man ist entweder ein Bastard oder nicht.«
    Roderick quittierte den Einwand mit einem Schulterzucken, sah ihr nach, als sie den Raum verließ, blieb jedoch sitzen, bis er ihre Schritte auf der Treppe hinauf zum Bad im dritten Stock hörte. Erst da stand er auf, trat ans Bett und nahm – wider besseres Wissen – die Zeitung auf. Zwar wollte er den Artikel nicht lesen, denn über den Fall konnte kein Reporter ihm etwas berichten, das er nicht schon wusste, aber er wollte sich das Bild ansehen.
    Seit fast sechs Monaten hatte dieser junge Mann ihm auf der Anklagebank gegenübergesessen, anfangs mit hochmütig abweisender Miene, gegen Ende mit einem Ausdruck des Entsetzens, doch dazwischen hatte sich auf seinem Gesicht die ganze Bandbreite der Gefühle abgespielt. Der Zeitungsfotograf hatte ihn erwischt, als er in den Polizeiwagen verfrachtet wurde. Da war er mit Handschellen an einen Polizisten mittleren Alters gekettet und wirkte bestürzt, als könne er nicht glauben, dass sich das ganze Drama tatsächlich dem Ende zuneigte und sich der Vorhang über etwas senken würde, das er bisher schlimmstenfalls für ein unangenehmes Zwischenspiel gehalten hatte. Und dass er zu guter Letzt des Mordes für schuldig befunden worden war und den Rest seines Lebens entweder im Zuchthaus verbringen oder getötet werden würde. Er wirkte jünger als dreiundzwanzig Jahre, beinah wie ein kleiner Junge, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war. Im Grunde wirkte er panisch.
    Roderick warf die Zeitung aufs Bett und ärgerte sich über seinen Unverstand, der ihn dazu gebracht hatte, sie überhaupt anzusehen.
    Â»Für alle gilt dasselbe Gesetz«, murmelte er verbissen. »Bettler oder Könige. Gleiches Recht für alle.«

5
    Margaret Richmond betrat die Küche, um nach den Dienstboten zu sehen. Seit den fast dreißig Jahren, die sie für die Montignacs arbeitete, hatte sich einiges geändert, doch heute gab es noch einmal einen jener seltenen Anlässe, bei denen das Personal vollständig war, auch wenn die meisten von ihnen nur für diesen Tag engagiert worden waren. Als Andrew, Stella und Owen noch Kinder waren, waren solche Leute in Leyville fest
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher