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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
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Situation konnte jederzeit kippen. Elgobad würde diese Schande nicht auf sich sitzen lassen. Doch was war das? Wer kam da angeflogen? Mein Magen krampfte sich zusammen.
    Es war eine Qual, alles mitanzusehen, ohne eingreifen zu können. Eigentlich hätte ich mich längst wieder um das Ei kümmern müssen, aber ich konnte mich nicht von meinem Nachrichtenfeuer losreißen. Es wurde schon Abend. Die längste Nacht des Jahres stand bevor. Ich spähte angestrengt in die Flammen.
    Der da angeflogen kam, war kein Hägsdämon – so weit, so gut. Schlecht war, dass es ein Uhu aus Fürst Arrins Gefolge war. Er war nicht so schwer bewaffnet wie Elgobad, aber auch er trug einen funkelnden Eisdolch. Damit stand es zwei gegen einen. Hoffentlich besaß der Neuankömmling mehr Ehrgefühl als Elgobad!
    „Wer ist das denn?“, fragte der Uhu.
    „Das will er mir nicht verraten“, erwiderte Elgobad.
    „Ich bin übrigens magenstörrisch“, kam es von Theo. „Ich kämpfe nicht.“
    „Das wollen wir doch mal sehen!“ Elgobad und der Uhu flogen mit gezückten Waffen auf Theo los.
    Theo konnte ihnen ausweichen, aber die beiden machten kehrt und griffen wieder an. Theo schraubte sich sofort abwärts. Als er dicht über dem Wasser war, sauste er plötzlich los. Noch nie habe ich eine Eule derart schnell fliegen sehen! Jetzt würde sich herausstellen, ob Elgobad und der fremde Uhu womöglich getarnte Hägsdämonen waren. Der Wind hatte aufgefrischt, die Wellen versprühten salzige Gischt. Doch Theos Gegner nahmen die Verfolgung auf. Theo schlängelte sich zwischen dem Treibeis hindurch. Er durfte sich aber nicht zu weit aufs Bittermeer hinauswagen, denn dort war tatsächlich Kriegsgebiet.
    Seine Verfolger kamen immer näher. Mir drehte sich der Magen um. Ich sah etwas Funkelndes durch die Luft schießen. Der Eissplitter verfehlte Theos Kopf nur knapp. Daraufhin setzte Theo zu einem atemberaubenden Manöver an. Er vollführte dicht über dem Wasser einen Salto, nutzte den Schwung und flog mit blitzenden Kampfkrallen auf seine Gegner los. Wupp-wupp machte es, dann erscholl ein himmelerschütterndes Kreischen. Die Bilder im Feuer waren so lebendig, dass es mir vorkam, als versprühten die Flammen Blutstropfen statt Funken. Der Uhu stürzte mit einer klaffenden Wunde in der Brust ins Meer. Als Lord Elgobad das sah, wurde er vor Schreck flügelstarr, fing sich aber im letzten Augenblick und ergriff die Flucht. Dabei drehte er sich immer wieder mit aufgerissenen Augen nach Theo und seinen Kampfkrallen um.
    Die Bilder verblassten. Was habe ich getan? , ging es mir durch den Kopf. Habe ich Theo mit meinem Einfall das Leben gerettet? Oder habe ich sein Leben zerstört, weil er gegen seine Überzeugung kämpfen musste?

„ Es war schrecklich.“
    Mit diesen Worten begrüßte mich Theo bei seiner Rückkehr. Er war auf einem Ast vor der Nisthöhle gelandet.
    Ich erwiderte nichts. Er schaute mich prüfend an. „Willst du denn gar nicht wissen, was ich erlebt habe?“
    „Das weiß ich bereits.“
    „Hast du etwa wieder im Feuer gelesen?“
    Ich nickte. Ich hatte Theo von meiner Gabe erzählt. Ich hatte aber geschwindelt, dass meine Fähigkeiten nachgelassen hätten und ich deshalb nicht mehr ins Feuer schaute. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich mich in Wirklichkeit nur davor fürchtete, in den Flammen die tote Siv zu sehen.
    „Die beiden hatten sich ziemlich weit vom Kriegsschauplatz entfernt“, sagte Theo nachdenklich. „Warum wohl?“
    „Wahrscheinlich war der Uhu ein Werber“, sagte ich.
    „Was ist ein Werber?“
    „Jemand, der Krieger für ein Heer anwirbt. Das trifft es allerdings nicht ganz, denn der Uhu und seinesgleichen zwingen friedliebende Eulen in den Kriegsdienst.“
    „Heißt das, indem ich ihn getötet habe, habe ich andere Eulen davor bewahrt, töten zu müssen?“
    „Richtig.“
    „Jetzt soll ich mich wohl freuen, was?“
    „Ich würde dir nie vorschreiben, was du zu fühlen hast. Und ich weiß, dass man sich immer schlecht fühlt, wenn man nicht aus Hunger getötet hat.“
    Theo hob den Fuß und betrachtete die Kampfkrallen. Das Blut des Uhus klebte noch daran. „Nun weiß der Feind Bescheid“, sagte er schließlich. „Wenn dieser Elgobad zu seinen Truppen zurückkehrt, wird er ihnen von den neuartigen Waffen berichten. Und dann?“
    „Das weiß ich auch nicht.“
    „Aber ich weiß es! Dann wollen alle Eulenkrieger Kampfkrallen haben.“
    „So schnell geht das nicht. Seit Jahrtausenden kämpft unsereiner mit
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