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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
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ein.“
    Als Theo in die Nisthöhle schlüpfte, verschlug es ihm die Sprache. Das Ei leuchtete von Tag zu Tag stärker. Auch ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen.
    „Vor dir liegt die Zukunft unseres Königreichs, Theo. Königin Siv persönlich hat das Ei in meine Obhut gegeben. Ich muss es beschützen, koste es, was es wolle. Du weißt noch, was ich dir vorhin über Fürst Arrin und Penryck erzählt habe?“
    „Klar doch“, antwortete Theo mit ehrfurchtsvoller Stimme.
    „Klar doch“, schien mir angesichts der ernsten Lage ein bisschen unangemessen, aber ich ließ es dabei bewenden.
    „Arrin will das Ei in seinen Besitz bringen. Die Hägsdämonen wollen es ebenfalls an sich reißen. Sie haben die Königin durch halb N’yrthgar verfolgt. Wenn die Dämonen sich des Kükens bemächtigen, ist es verloren. Dann verwandeln sie es in eine Kreule und es wird selbst zum Dämon. Arrin wiederum möchte das Ei als Druckmittel benutzen, um sich zum Hohen König aufzuschwingen. Außerdem glaube ich, dass er sich rächen will.“
    „Wofür denn?“
    „Für den Tod seines Sohnes. Der wurde von einem Getreuen aus H’raths Gefolge getötet, der den Überfall in der Reißzahnbucht überlebt hatte. Obwohl der Fürst kurz darauf den König umbringen ließ, ist sein Rachedurst noch nicht gestillt.“
    „Das wundert mich nicht. Gewalt erzeugt immer nur neue Gewalt. Deshalb bin ich ja dagegen.“
    Darauf ging ich nicht ein. Ich schaute Theo fest an und fuhr fort: „Ich habe der Königin versprochen, dass ich ihr Ei unter allen Umständen verteidige. Stell dir vor, was es für eine Mutter bedeuten muss, ihr Kind herzugeben! Ich soll den Kleinen großziehen und sein Lehrer sein.“
    „Den Kleinen? Ist es denn ein männliches Küken?“
    Ich nickte. „Ich bitte dich lediglich darum, mir ein Paar Kampfkrallen anzufertigen, damit ich das Ei und später das Küken verteidigen kann. Du siehst ja jetzt selbst, dass es kein gewöhnliches Ei ist. Das Küken, das daraus schlüpft, wird ein großer König werden – wenn alles gut geht. Ein König, der die Hägsdämonen ein für alle Mal ausrotten könnte.“
    Als ich zu Ende gesprochen hatte, war es still in der Höhle. Das Schweigen schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Schließlich gab Theo sich einen Ruck. „Na schön, ich schmiede dir deine Kampfkrallen. Aber erst mal brauche ich einen vernünftigen Hammer. Sonst kann ich die Krallen vorn nicht richtig zuspitzen.“
    Ich atmete auf. Zugleich war mir auch bewusst, dass die neuen Waffen die Eulenwelt unwiderruflich verändern würden. Bis dahin hatten wir nur mit Eiswaffen gekämpft. Jetzt aber konnten wir Waffen aus „Eisen“ herstellen, wie Theo das neue Metall genannt hatte, das wir aus dem rötlichen Gestein gewannen. Würden unsere Kriege von nun an mit einer Brutalität geführt werden, die verheerender war als jede Hägsmagie?
    Ich hatte Theo um die Kampfkrallen gebeten, weil ich das Leben des künftigen Königs schützen musste. War das ein ausreichender Grund? Ja! Wenn irgendwer die Geschicke der Eulenwelt zum Guten wenden konnte, dann war es Sivs Sohn.

Das Eisenerz auf der Insel ging zur Neige. Theo brauchte Nachschub. In einer Gegend im Westen, die allgemein nur „Namenlos“ hieß, sollte es große Vorkommen von eisenhaltigem Gestein geben. Außerdem war Theo auf der Suche nach sogenannten „Salzsternen“. Ich wusste nicht, was das war, aber Theo behauptete, Salzsterne verbesserten die Schmiedefähigkeit von Eisen. Er hoffte, sie in den ausgetrockneten Seen von Namenlos zu finden.
    „Leg wenigstens die Kampfkrallen an, wenn du schon unbedingt dorthin fliegen musst“, sagte ich.
    „Wozu das denn? In Namenlos gibt es keine feindlichen Eulen und auch keine Hägsdämonen. Es ist ein unbewohntes Land.“
    „Ich sorge mich nicht, dass dir in Namenlos etwas zustößt. Aber auf dem Weg dorthin musst du über das Bittermeer fliegen.“
    „Na und? Dort werde ich auch niemandem begegnen. Keine Eule der Welt überquert jemals das Bittermeer.“
    „Du hast es seinerzeit getan. Sonst wärst du jetzt nicht hier.“
    Er ließ sich nicht beirren. „Da wäre noch etwas.“
    Wie konnte man nur derart stur sein! Ich seufzte.
    „Ich habe die Kampfkrallen zwar selbst angefertigt, aber ich habe keinen blassen Schimmer, wie man damit umgeht. Ich habe schließlich noch nie gekämpft.“
    „Wenn es so weit ist, wirst du von ganz allein wissen, wie man sie benutzt“, konterte ich.
    „Sie werden mich bestimmt beim Fliegen
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