Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau
Autoren: Annette Hohberg
Vom Netzwerk:
und wieder was für Fachbuchverlage. Klappentexte, Pressemitteilungen, solche Sachen. Und er unterrichtet Yoga.«
    »Yoga?« Martha runzelte die Stirn.
    Francesca lachte. »Ja, du schaust, als hättest du noch nie was davon gehört.«
    »Doch, doch, einige meiner Kolleginnen stehen drauf, aber ich glaube, für mich ist das nichts. Sich verbiegen und alles loslassen ist nicht so mein Ding. Und ein Mann, der Yoga macht? Ich kenne niemanden, der das tut.«
    »Du kennst die falschen Leute, scheint mir …« Francesca griff über den Tisch nach Marthas Hand.
    »Weißt du, was mich verwirrt?«, unterbrach Martha sie. »Ich hab’s heute Nachmittag schon mal gesagt, und jetzt fällt es mir wieder auf – ich vertraue dir Dinge an, die ich mir selbst sonst kaum eingestehe.«
    »Ist gar nicht so ungewöhnlich. Ich beobachte das oft bei meinen Schülern. Die freunden sich sehr schnell an, und nach drei Tagen packen sie ihre Lebensgeschichten aus. Manchmal ist das bei Fremden leichter. Die gehen wieder – und nehmen mit, was man ihnen erzählt hat. Ich sag immer, das sind Interimstüröffner. Nicht schlecht für Leute, die im Grunde ihres Herzens verschlossen sind.«
    »Bin ich verschlossen?«
    Francesca goss ihnen noch zwei Grappa ein. »Soll ich ehrlich sein?«
    »Sind wir das nicht schon den ganzen Tag?«
    »Okay. Als ich dich heute Mittag auf der Mole sitzen sah, dachte ich mir, diese Frau sehnt sich nach etwas. Vielleicht war’s die Art, wie du aufs Wasser geschaut hast, als würdest du dort etwas suchen, das du noch nicht gefunden hast.«
    »Mag sein.«
    »Du bist sehr kontrolliert, glaube ich. Du scheinst dein Leben fest im Griff zu haben. Da läuft alles prima. Tochter, Job, Vater … Aber wo bleibst
du
bei alldem? Wann bist du das letzte Mal so richtig nett zu dir gewesen? Selbst bei so was wie Yoga zuckst du zusammen, weil du gleich an Kontrollverlust denkst. Dabei ist es das genaue Gegenteil: Es zeigt dir den Weg zu dir. Sagt Michele zumindest, und ich denke, er hat recht.«
    »Du magst deinen Bruder wirklich sehr.«
    Francesca trank einen großen Schluck Grappa und stellte das Glas zurück auf den Tisch. »Er hat mich schon an die Hand genommen, als wir Kinder waren. Ich hab dir von unseren Spielen damals erzählt. Heute versucht er, im großen Spiel mitzumischen, und dabei holt er sich nicht selten blaue Flecken. Aber er gibt nicht auf, und, ja, das liebe ich an ihm. Am meisten lachen wir, wenn einer von uns mal wieder tief drinsitzt in irgendeiner Katastrophe.«
    »Das Kontrastprogramm zur theatralischen Mutter …«
    Francesca spitzte ihre Lippen und lächelte dabei. »Gut aufgepasst. Aber nein, das ist es nicht. Mama hat zwar einen Hang zum Drama, aber sie hat uns auch beigebracht, dass man sich von diesem Leben umarmen lassen soll, bevor man sich irgendwann auf den Zentralfriedhof legt.«
    »Zentralfriedhof? Ist der nicht in Wien?«
    »Ja, es ist ihr Wunsch, dort begraben zu werden. Sie redet viel vom Sterben. Das hat sie schon getan, als sie noch jung war. Papa sagt immer, sie flirtet mit dem Tod, damit er ihr wohlgesinnt bleibt.«
    »Ein Bruder, der Grabreden hält. Eine Mutter, die mit dem Sterben liebäugelt …«
    Francesca lächelte. »Klingt recht düster, ich weiß. Dabei sind wir alle ziemlich gern auf diesem Planeten.«
    Martha trank den letzten Schluck Grappa und verzog dabei das Gesicht.
    »Ich dank dir für diesen Tag«, sagte sie, als sie kurz darauf draußen vor der Tür standen.
    Francesca trat von einem Bein aufs andere und suchte nach ihren Zigaretten. »Gibst du mir zum Abschied noch mal Feuer?«, fragte sie.
    Martha hielt ihr das Feuerzeug hin und zündete sich dann selbst auch eine an. »Wir sollten Adressen austauschen«, sagte sie. »Vielleicht komme ich ja doch eines Tages nach Bologna.«
    Francesca kramte in ihrer Tasche und holte schließlich den Kassenbon eines Supermarkts und einen Bleistift hervor. Sie schrieb ihre Mailadresse und Telefonnummer auf und reichte Martha den Zettel. »Hier. Aber falls du kommst, bring Zeit mit, am besten ein, zwei Monate. Denk dran, was ich dir gesagt habe. In deinem Leben bist jetzt mal du an der Reihe.«
    Martha reichte ihr ihre Visitenkarte. »Wir bleiben in Kontakt.«
    »Ich glaube, das werden wir.« Francesca küsste sie auf beide Wangen, und dann lief sie davon.
    Martha sah ihr nach. Sah, wie die zierliche, dünne Frau schnell um die nächste Ecke bog. Sie blieb noch eine Zeitlang stehen, bevor sie sich umdrehte und langsam die Richtung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher