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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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musste feststellen, dass die Doktorin unglaublich gut dazu passte. Und ihre Augen! Schwarzgrüne Spiralen. Noch nie hatte er etwas annähend Schönes gesehen.
    Hiller hatte gefragt, was sie von dem Profil halten würde. Sie, als Expertin, sozusagen. Sie hatte den Bericht auf den Tisch gelegt und gefragt, ob die Profiler mit Jack Reynolds gesprochen hätten. Hiller verneinte.
    »Dann ist dieser Bericht das Papier nicht wert, auf das er gedruckt ist. Aber falls Ihnen mal das Toilettenpapier ausgeht … « Sie nickte zum Profil. »Dazu könnte man es verwenden. Zu sonst nichts.«
    Sie fragte nach den Gesprächsprotokollen, die Jack Reynolds Therapie als Fünfzehnjährigen dokumentierten, und bat darum, sie lesen zu dürfen. »Das«, meinte sie und tippte auf die gut zwanzig Blätter, »sind brauchbare Dokumente. Ich kenne Fawbes. Ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Kinderpsychologie.«
    Dann begann sie die Protokolle zu lesen, stand nach dem ersten Absatz auf und verschwand im Nebenzimmer. Kurz darauf kehrte sie mit Notizblock und Stift zurück. Seit diesem Zeitpunkt waren etwa eineinhalb Stunden vergangen. Overlook las und schrieb, las und schrieb, las und schrieb. Und Hiller sehnte sich nach einem Plätzchen auf der Couch.
    »Interessant«, sagte sie und lehnte sich zurück. »Und Sie glauben, dass Reynolds der Mörder dieser Mädchen ist?«
    »Was ich glaube, spielt hier keine Rolle. Die Fakten sprechen dafür. Er hatte die Möglichkeit, er hatte das Motiv und es gibt eine Menge Indizien, die ihn als Mörder ausweisen.«
    »Möglichkeit, Indizien … « Sie schüttelte den Kopf. »Und das Motiv ist … « Sie tippte auf das FBI-Profil. » … das da?«
    Hiller nickte.
    »Lachhaft!«
    »Ja?«
    »Ach kommen Sie! Sie glauben diesen Scheiß doch nicht etwa. Sexuelle Abartigkeit. Mädchen als Puppen. Die FBI-Profiler sollten Schriftsteller werden und einen dieser Pseudo-Psycho-Thriller schreiben. Das sind abartige Fantasien, Detective. Nichts als Horror-Märchen.« Wieder tippte sie auf die Gesprächsprotokolle. »Fawbes hat die Psyche des Jungen sehr gut auf den Punkt gebracht. Offenbar haben Ihre Profiler diesen Absatz in den Protokollen überlesen. Der junge Jack Reynolds war nach der Therapie bei Fawbes kerngesund. Er hatte eine lebhafte Fantasie, ohne Zweifel. Aber daran war nichts abartig oder pervers. Ein ganz normaler fünfzehnjähriger , junger Mann. Glauben Sie an Übersinnliches?«
    »Übersinnliches? Wie meinen Sie das?«
    »Na, Sie wissen schon. Kontakt mit dem Jenseits, Geister, Telepathie. Diese Dinge eben.«
    Hiller lächelte. »Parapsychologie? Nein, danke. Verzichte.«
    »Ich auch nicht. Berufsbedingt.« Sie lächelte ebenfalls. »Aber Jack Reynolds glaubte daran. Laut den Protokollen war er davon überzeugt.«
    »Überzeugt? Wovon?«
    »Fawbes schreibt, dass Jack eine Zwillingsschwester hatte. Er nannte sie Any. Any starb vor der Geburt und war mit Jack an der Brust zusammengewachsen.«
    »Siamesische Zwillinge?«
    »Genau. Sie hatten nur ein Herz und Jack war davon überzeugt, dass er Kontakt zu Any hatte. Dass sie mit ihm kommunizierte. Über sein Tagebuch.«
    »Klingt spooky.«
    »Ja, tut es. Sagt Ihnen der Begriff intuitives Schreiben etwas?«
    »Noch nie davon gehört.«
    »Dabei schreibt man ohne nachzudenken Sätze auf ein Blatt Papier. Später liest man es und bekommt so einen Eindruck, womit sich das Unterbewusstsein auseinandersetzt.«
    »Klingt interessant. Und so hat Jack mit Any gesprochen?«
    »Nicht ganz. Jack glaubte, dass Any ihm auf diese Art Bilder geschickt hat, die er dann gemalt hat.«
    »Bilder? Die Bilder, die Sie ihm mitgegeben haben?«
    Overlook zog die Brauen ins Gesicht. »Nein. Diese Bilder stammten von seinem Vater.«
    Hiller zog die sechs Zeichnungen aus der Mappe. »Ich meine diese Bilder.«
    Overlook betrachtete die Zeichnungen und schüttelte dann den Kopf. »Ich habe diese Zeichnungen noch nie gesehen. Die Zeichnungen, die ich Jack gegeben habe , waren aufgeschnittene Körper. Detailgetreue Skizzen von Operationen, die sein Vater in der Anstalt gezeichnet hatte.«
    Hiller lachte. »Dann kann ich mir die Frage sparen, wie sie ins Zimmer gekommen sind. Offenbar waren sie ja niemals dort.«
    »Ganz sicher nicht. Und diese Zeichnungen hat Jack gemalt?«
    »Wir gehen davon aus.«
    »Interessant«, sagte Overlook und betrachtete die Bilder abermals. »Der Wolf als das Böse. Die Mädchen an Drahtseilen. Die Schlange, die den Wolf beißt. Sehr interessant. Und das letzte
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