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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne
Autoren: Andreas Franz
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wissen aber nicht, mit wem er sich gestern treffen wollte?«
    »Nein, das hat er nicht gesagt. Wir haben uns auch nur selten über das Geschäft unterhalten. Bloß wenn jemand einen wirklich extravaganten Wunsch äußerte, dann hat er es mir natürlich erzählt, und manchmal mussten wir auch darüber lachen. Einmal wollte ein Kunde eine Porzellangans für seine Frau haben, allerdings sollte diese Gans Diamanten in den Augen haben, eine Kette mit Saphiren, Rubinen und Smaragden um den Hals und im Schnabel eine mit Rubinen besetzte Rose. Ich kann mich noch so genau daran erinnern … Wir haben übrigens viel gelacht. Ich werde sein Lachen vermissen, ich werde es sogar sehr vermissen.«
    Julia Durant sah die ihr gegenübersitzende Frau an, die ihr von Minute zu Minute mehr gefiel. Sie war keine Schönheit im herkömmlichen Sinn, es war ihre Ausstrahlung, die sie zu etwas Besonderem machte. Eine Frau, in deren Gegenwart sie sich wohl fühlte. Keine von diesen blasierten, überheblichen Neureichen, sondern eine ganz natürliche Frau.
    »Gut, kommen wir noch einmal auf gestern zurück. Wann sind Sie stutzig oder unruhig geworden, nachdem Ihr Mann um sechs noch nicht da war?«
    »Es war so gegen sieben. Ich habe versucht ihn über sein Handy zu erreichen, aber es hat sich nur die Mailbox gemeldet. Dann habe ich unser Au-pair-Mädchen gebeten, die Kinder zu Bett zu bringen, und bin um halb acht einfach einem Gefühl folgend nach Frankfurt gefahren.«
    »In die Kennedyallee?«
    »Ja. Ich habe ja schon erwähnt, dass er sich manchmal dort mit Kunden getroffen hat. Es war nur ein Versuch. Und dann habe ichihn und diese Frau gefunden …« Erneut stahlen sich ein paar Tränen in ihre Augen, die sie sofort wegwischte.
    »War die Tür verschlossen?«
    »Nein. Sie war zwar zu, aber nicht abgeschlossen.«
    »Und was genau haben Sie gesehen, als Sie die Wohnung betreten haben?« Die Kommissarin beobachtete jede Regung in Ramona Wiesners Gesicht.
    »Ihn und sie. Mehr nicht. Ich kann mich an nichts weiter erinnern. Aber glauben Sie mir, dieser Anblick allein genügte schon.«
    »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, was ungewöhnlich war?«, hakte Durant nach.
    »Was meinen Sie?«
    »In der Wohnung. Schaute die Wohnung so aus, wie Sie sie zuletzt gesehen hatten?«
    »Ja«, antwortete Ramona Wiesner zögernd. »Aber worauf wollen Sie hinaus?«
    »Gleich. Sie sind also gegen acht in die Wohnung gekommen, richtig?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben nur Ihren Mann und diese Frau gesehen. Von wo aus haben Sie die Polizei alarmiert?«
    »Ich war erst wie starr vor Schreck, dann bin ich auf die Straße gerannt und habe vom Auto aus die Polizei gerufen. Ich konnte nicht in der Wohnung bleiben.«
    »Wann kam die Polizei?«
    »Keine Ahnung. Ich sage doch, ich war wie gelähmt. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich weiß nur, dass kurz nach der Polizei auch noch Reporter ankamen. Diese Schweine! Nur Sensationen, Sensationen, Sensationen! Ich könnte sie alle umbringen.«
    Julia Durant atmete tief durch, schloss erneut kurz die Augen und dachte an Dominik Kuhn. Er war einer der Ersten am Tatort gewesen, um die Exklusivstory zu bekommen. Sie würde irgendwann mit ihm darüber sprechen, ihm sagen, dass ihr diese Art vonSensationsjournalismus nicht gefiel. Und sie erinnerte sich mit einem Mal an einen ihr gut bekannten Mann, der vor nicht allzu langer Zeit von einem so genannten seriösen Nachrichtenmagazin beinahe ruiniert worden wäre, weil man, nur um eine besonders reißerische Story für die TV-Sendung über organisiertes Verbrechen zu bekommen, seine Vita dahin gehend verändert hatte, dass er plötzlich als Krimineller dastand, obgleich er sich nie etwas hatte zuschulden kommen lassen. Weder die Journalisten noch die Chefredaktion hatten es für nötig befunden, sich bei ihm zu entschuldigen, selbst als er nach einem glücklicherweise gescheiterten Selbstmordversuch einige Wochen lang im Krankenhaus lag. Der Chefredakteur Werner Kleist hatte nur abgewunken und gesagt, sie hätten bloß das gesendet, was der Mann den Reportern erzählt habe. Und alle vier Reporter hatten eidesstattlich versichert, dass alles der Wahrheit entspreche, was sie gesendet hätten. Sie wusste, es waren Meineide, jeder wusste es, aber keiner traute sich, etwas gegen dieses übermächtige Nachrichtenmagazin zu unternehmen. Sie hatten das Geld, und sie hatten die Macht, und sie waren in der Lage, Menschen groß herauszubringen oder sie zu ruinieren. Seitdem hatte sie etwas
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