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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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Buches nicht von jedermann verstanden werden konnte. Vielleicht war es tatsächlich der Reisebericht eines Jesuitenmönches, wie der Seefahrer es erzählt hatte. Detailreiche Illustrationen zeigten außergewöhnliche Tiere, exotische Blumen und faszinierende Tempel. Gierig blätterte Marek weiter, stieß auf weitere Zeichnungen, die er nicht verstand, und auch auf Zeichen, die so aussahen wie die auf dem Amulett.
    Seine Hände zitterten vor Aufregung. Noch nie hatte er einen Bericht aus der Neuen Welt in der Hand gehalten, er hatte noch nicht einmal mit jemandem gesprochen, der tatsächlich dort gewesen war. Alles, was er wusste, stammte aus dritter oder vierter Hand, und jeder wusste, wie sehr Berichte mit jedem weiteren Erzähler, der hinzukam, verwässert und verfälscht wurden. Die Neue Welt war voll mit Geheimnissen und Rätseln. Eine Fundgrube für jeden Forscher, der sich gern im Himmel der Wissenschaft verewigen wollte.
    Marek musste dieses Buch haben. Der Preis war lächerlich niedrig, und der Besitzer wollte es loswerden. Der alte Wissenschaftler konnte sein Glück kaum fassen.
    »Ich gebe Euch fünf Silbermünzen und bezahle für eine weitere Nacht in diesem Gasthaus«, sagte Marek. Er bemerkte nicht, dass sich seine Stimme vor Aufregung beinahe überschlug.
    »Das ist ein großzügiges Angebot«, erwiderte der Fremde, der vielleicht auch mit weitaus weniger zufrieden gewesen wäre. Er griff nach seinem Bierkrug und stellte ihn wieder ab, ohne daraus zu trinken. Er war leer.
    Marek verstand die Geste und winkte Mila herbei, um zwei weitere Krüge mit Bier zu bestellen. Es galt, ein Geschäft zu besiegeln.
    Lange nachdem Marek mit seinem neuerworbenen Schatz das Gasthaus verlassen hatte, erhob sich der alte Seemann von seinem Tisch. Er hatte noch zwei weitere Krüge Bier getrunken und spürte nun die Wirkung des Alkohols. Die Wände der Wirtsstube schwankten und schienen auf ihn einzustürzen. Der schwere Kerzenhalter aus dunklem Metall über ihm drehte sich. Aber der Mann fühlte sich zufrieden und erleichtert wie selten zuvor. Endlich war er das verdammte Buch und das unglücksschwangere Schmuckstück los. Er hatte dem neugierigen Wissenschaftler nicht alles verraten und hoffte inständig, dass der Mann auch nicht dahinterkam. In ein paar Monaten würde das Buch in irgendeiner Bibliothek verstauben, und das entsprach genau seinem Plan.
    Die Gedanken im Kopf des Matrosen drehten sich wie der Kerzenhalter. Das lag sicher am Bier.
    Schwankend hielt sich der große Mann an der Tischplatte fest und stolperte dann zur Hintertür der Gaststube. Ehe er zu seiner Kammer hinaufstieg, musste er den Abort aufsuchen. Das viele Bier, das er in den letzten Stunden getrunken hatte, drängte ihn.
    Unnötig laut donnerten seine festen Stiefel über die Bretter des Holzfußbodens, das Geräusch hallte in seinem Kopf wider. Er stolperte, klammerte sich an der Tür fest und wäre beinahe in den Hof hinausgefallen. Mühsam rappelte er sich wieder auf und schloss die Tür hinter sich. Die kalte frische Nachtluft wehte ihm ins Gesicht und ließ die Haut prickeln. Es roch nach Schnee. Wie sehr hatte er den Geruch all die Jahre auf See vermisst. Er war nicht freiwillig Matrose geworden. Aber er war das sechste Kind gewesen, daheim hatte es nie genug zu essen gegeben und so war er aus dem Gebirge weggegangen, immer weiter in den Norden, bis er ans Meer gelangte. Dort hatte ihn der erste Kapitän, den er kennenlernte, angeheuert. Das war alles schon eine Ewigkeit her, fast so, als hätte es in einem anderen Leben stattgefunden. Aber jetzt war Schluss damit, er würde zurückkehren in die Berge, wo er hingehörte. Und er hatte einen Geldbeutel voller Münzen dabei. Breitbeinig stellte er sich hin, schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein.
    Plötzlich legte sich über den feinen, sauberen Geruch des Schnees ein schwerer Moschusduft. Teures Parfum, das er schon einmal gerochen hatte. Aber im Moment konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wann und wo. Er grübelte fieberhaft, ohne zu bemerken, dass sich von der großen Eiche in der Mitte des Hofes ein Schatten löste. Geräuschlos wie eine Katze eilte die Gestalt von hinten auf ihn zu und blieb stehen. Ein Bogen wurde gespannt, blitzschnell schoss ein schmaler Pfeil durch die Luft und bohrte sich durch die schlichte dicke Jacke aus derbem Stoff, genau in den weichen Teil zwischen beiden Schulterblättern. Es war kein heftiger Schmerz, aber augenblicklich wusste der
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