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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition)
Autoren: Martin Johannson
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beschrieb. Und sie entpuppte sich auch als echter Glücksfall, obwohl ursprünglich alles mit einem Unglücksfall anfing.
    Irgendwann vor Weihnachten war ich mit meinem Wagen aus der Tiefgarage gefahren, als ein roter BMW gedankenlos aus der Seitenstraße gerauscht kam und mein Auto rammte.
Er verursachte zwar nur einen Lackschaden, und ich hatte außer weichen Knien keine Verletzungen davongetragen, doch ich war sauer und genervt, weil vor meinem geistigen Auge eine endlos lange Reihe von Versicherungsformularen auftauchte, mit denen ich mich würde herumärgern müssen. Doch der BMW-Fahrer, ein äußerst zerknirscht und reuig wirkender Bartträger, wollte alles ohne Versicherung klären. Er war Wohnungsmakler und der Wagen ein Firmenwagen, den er über Nacht privat genutzt hatte, was ihn in einige Schwierigkeiten eingebracht hätte, wenn die Angelegenheit ihren offiziellen Gang gegangen wäre. Also bot er mir 2000 Euro an – mit denen ich mein Auto dreimal hätte umspritzen lassen können – und die Vermittlung einer neuen Wohnung.
Ich weiß nicht mehr, wieso er darauf kam, dass ich eine Wohnung suchte, aber ich hatte es ihm wahrscheinlich erzählt, als er seinen Beruf erwähnte.
Er gab mir seine Karte und erzählte von einer traumhaft schönen Wohnung mitten in Berlins bester Wohnlage, die nur leider viel zu teuer für mich und meine Frau Nicole war. Doch als er nur wenige Tage später anrief, um zu fragen, ob das Geld auf meinem Konto eingetroffen sei, hatte er die perfekte Wohnung für uns: 120 Quadratmeter Dachgeschoss, riesige Terrasse, ruhige Lage im Süden Berlins. Und in die waren wir vor wenigen Wochen gezogen.
Ich schloss das Fenster und ging aus der Küche in mein Arbeitszimmer, wo ich mich an meinen Computer setzte, um zu arbeiten. Mühsam verglich ich ein paar Börsendaten vom vergangenen Monat, um mich auf meine Arbeit einzustimmen, bis ich langsam zu meinem Osterartikel zurückfand. Das war aber auch bitter nötig, denn mir lief langsam die Zeit davon.
    Seit gut drei Jahren arbeitete ich als freier Redakteur des Financial Report Deutschland und lieferte jede Woche einen fundierten Bericht über aktuelle Börsenkurse und Wirtschaftsdaten ab, der von Insidern gut und von Hobby-Wirtschaftlern bedingt verstanden wurde. Dabei stieg ich tief in die Materie ein und erarbeitete nach intensiven und aufwändigen Recherchen einen Bericht, den führende Manager und Wirtschaftsexperten einmal als »essenziell« bezeichneten. Auch wenn der Leserkreis überschaubar blieb und ich eigentlich immer nur eine Art Zusammenfassung erstellte, so verhalf mir das doch zu einem relativ beruhigenden finanziellen Rückhalt. Und zu Ostern gab es immer noch einen extralangen Beitrag von mir, in dem ich Prognosen für den Rest des Jahres und besonders für den Sommer erarbeitete. Es war nicht immer leicht, diese Wirtschaftsentwicklungen vorherzusagen, deshalb konzentrierte ich mich vor allem darauf, eine Art Zwischenbilanz zu ziehen und meine Vorhersage auf aktuelle Daten zu stützen. All das nahm zwar relativ wenig Hirnkapazität, aber extrem viel Zeit in Anspruch, so dass ich eine Woche mehr als gewöhnlich für diesen besonderen Artikel einplanen musste.
Normalerweise benötigte ich nur wenige Tage für die Arbeit. Ich recherchierte routiniert die neuesten Daten und fasste diese dann in einem Bericht zusammen. Dann Abgabe, zwei Tage Pause und alles begann von vorn.
Am Anfang machte mir es sogar Spaß, aber wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass mir die drei Jahre bei der Zeitung inzwischen sehr lang vorkamen und ich gern auch noch etwas anderes gemacht hätte. Es gab sicherlich noch stupidere Arbeit auf diesem Planeten, aber ein paar größere Herausforderungen hätte ich mir schon gewünscht. Doch die Artikel ernährten mich, und zusammen mit Nicoles Gehalt ging es uns so gut, dass ich die Arbeit nur ungern aufgeben wollte.
So widmete ich mich auch in dieser Nacht notgedrungen weiter meiner Arbeit, die mich glücklicherweise von meinen Gedanken ablenkte, bis die Dämmerung langsam in mein Arbeitszimmer drang und ich aufstand, um mir Kaffee zu machen.
    Ich arbeitete noch ein paar Stunden, wobei sich nach und nach ein unangenehmes Kribbeln in meiner Magengegend niederließ, wann immer ich daran dachte, dass ich bald Nicole würde gegenüberstehen müssen. Der Rausch der vergangenen Nacht war verflogen, im hellen Tageslicht schien meine Ekstase in Claras Armen nur noch wie ein ferner Traum, der zwar noch süß auf
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