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Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Titel: Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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selbst konnten das, denn der Text wurde, nachdem die beiden per Brief Ideen und Konzeptionen ausgetauscht hatten, bei Zusammenkünften Satz für Satz, Absatz für Absatz gemeinsam formuliert.

    Das ist aber erst die eine Seite des Paradoxes. Denn Boris Strugatzki wurde durchaus nicht nur als der Verwalter und überlebende Repräsentant, sondern auch als der Fortsetzer Strugatzki’scher Fantastik wahrgenommen – und darüber hinaus als aktiver Verfechter jener Weltsicht, jener moralischen Haltung, für die die Science Fiction der Brüder stand. Nur so ist es zu erklären, dass sein Tod ein wesentlich stärkeres Echo auslöste als seinerzeit der seines Bruders. Als Arkadi Strugatzki starb, war das ein Ereignis in der Welt der Science Fiction; in Russland wurde es auch in der allgemeinen Gesellschaft wahrgenommen, doch die wandte sich sehr schnell wieder ihren anderen Sorgen zu, derer sie in jener Umbruchsphase mehr als genug hatte. Für die Science Fiction bezeichnete Boris Strugatzkis Tod das Ende einer Epoche – er war der letzte von jenen Großen, die das Bild dessen geprägt haben, was wir heute für die »klassische« Epoche der SF im 20. Jahrhunderts halten (und die für Russland etwas später liegt als in den USA); für Russland aber war er ein politisches Ereignis, auf das praktisch alle Medien des Landes reagierten, zahlreiche Künstler, Schriftsteller, Publizisten – selbst in Deutschland brachten viele Rundfunksender die Nachricht. Die Strugatzkis haben für ihr Land mehr bedeutet als Autoren wie Heinlein oder Asimov für die Vereinigten Staaten; eher kann man ihre Rolle mit der von Ray Bradbury oder Kurt Vonnegut jr. vergleichen – sie haben ihrem Land einen Spiegel vorgehalten (in der polnischen Science Fiction hatte Stanis ł aw Lem eine ähnlich herausragende Stellung, aber von einem vergleichbar nachhaltigen Einfluss auf das Denken und Fühlen der Polen ist nichts bekannt). Man wird die Bedeutung Boris Strugatzkis nicht verstehen können, ohne der Frage nachzugehen, was den Autor »Arkadi und Boris Strugatzki« und sein 1991 abgeschlossenes Werk so einmalig machte. Ebensowenig wird man dieses Werk verstehen können, ohne es in Beziehung zur Sowjetunion zu setzen – und zum gegenwärtigen Russland, womit wir wieder bei Boris Strugatzki wären. Doch es hätte keinen Sinn, nur von ihm zu sprechen – sein Bruder ist immer präsent.
    2.
    In der Biografie der Strugatzkis gibt es kaum etwas, das frühzeitig auf ihre Ausnahmestellung hingewiesen hätte. Die Eltern fielen freilich aus dem Durchschnitt heraus: Der Vater, Natan Strugatzki, Sohn eines jüdischen Provinzadvokaten und als Kunstwissenschaftler ausgebildet, trat noch vor der Revolution in die Partei der Bolschewiki ein, die ihn später mit häufig wechselnden Aufträgen im Lande herumschickte – bald als Soldat (er brachte es bis zum Stabsoffizier einer Kavalleriedivision), bald als Wirtschafts- oder Kulturfunktionär; in dieser Zeit kam 1925 Arkadi im georgischen Batumi zur Welt. Die Mutter, Alexandra Litwintschewa, stammte aus einer kleinbürgerlichen russischen Familie in der Ukraine und arbeitete später in Leningrad als Lehrerin. Dort wurde am 15. April 1933 Boris geboren, und dorthin kehrte der Vater zurück, nachdem er 1937 in Stalingrad aus der Partei ausgeschlossen und eher zufällig der Verhaftung entgangen war. In Leningrad betrieb er erfolglos seine Rehabilitation, und alte Genossen verschafften ihm eine Anstellung als Bibliothekar. Während des Krieges überlebten Boris und die Mutter im belagerten, hungernden Leningrad – wahrscheinlich nur, weil der schwerkranke Vater und Arkadi im Januar 1942 übers Eis des Ladogasees aus der Stadt evakuiert wurden und ihnen ihre Lebensmittelkarten zurückließen. Ihr Lkw brach ins Eis ein, und der Vater starb wenige Tage später. Arkadi kam mit siebzehn Jahren zur Armee und wurde – kurz bevor seine Einheit in der Panzerschlacht von Kursk restlos aufgerieben wurde – für eine Ausbildung als Militärdolmetscher ausgewählt. Nach dem Krieg nahm er noch während der Ausbildung an Verhören japanischer Kriegsgefangener teil, diente dann bis zu seiner Demobilisierung 1955 als Offizier im Fernen Osten und zog 1956 nach Moskau, wo er schließlich Lektor im Staatlichen Literaturverlag wurde.

    Damit war der abenteuerliche Teil im Leben der Strugatzkis im Wesentlichen abgeschlossen. Was aus heutiger – und zumal deutscher – Sicht so außergewöhnlich wirkt, war in der Sowjetunion zu Zeiten Lenins
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