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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Autoren: Martine Bailey
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gegeben, die mehr nach dem Erfolg hungerten. Mit dem Geld aus meiner Schatulle und Renzos Ersparnissen kauften wir ein fünfstöckiges Haus direkt am Arno. Wir gingen durch die hohen, muffigen Räume und ignorierten die Wappen und die mottenzerfressenen Samtvorhänge. Stattdessen inspizierten wir die Kaminabzüge und vermaßen die Küche. Wir nannten es
La Regina d’Inghilterra
oder einfach
Die Königin von England
. So wurde ich zu der eleganten Restauratrice, die ich in Paris noch so bewundert hatte. Das düstere Grau der Dienstmädchenkluft verschwand; ich war immer nach der neusten französischen Mode gekleidet und begrüßte meine Gäste wie die gute Fee persönlich. «Guten Abend, Eure Exzellenz», flüsterte ich wie die perfekte Adelige. Bei meinen Sternen, die Leute in Mawton hätten mich nicht wiedererkannt. Meine Haare wurden jeden Morgen von meiner Zofe aufgetürmt und mit Blüten und Edelsteinen festgesteckt. Meine Füße waren nie die hübschesten gewesen, aber jetzt steckten sie in hohen Satinpantoffeln. Sogar meine armen, vom Feuer gezeichneten Arme verheilten. Nun, zumindest fast. Mit fingerlosen Handschuhen und klimpernden Armreifen sah man die Narben gar nicht mehr, behauptete die Zofe.
    Am Abend der Eröffnung wurde das Gebäude von dem Licht überflutet, das von dem Kristall und den Spiegeln vervielfacht wurde. Dies war das
Maison de Santé
meiner Träume. Wir bezauberten die Gäste mit Luxus: einer goldenen Uhr aus der Schweiz und einem mit Schnee gefüllten Becken in Form einer Galeone, in dem die Weinflaschen kühlten. In der Mitte des Raums jedoch stand das Meisterwerk meines Mannes: der Tempel der Circe aus Zuckerwerk, geschmückt mit unzähligen Zuckerkugeln. In einer Stadt, die immer nach dem Neuesten gierte, standen wir plötzlich ganz weit oben.
    Was die Speisen anging, so war es schon erstaunlich, denn die meisten unserer Gäste hatten gar keinen Hunger. Die Angehörigen der besseren Gesellschaft erhoben sich kollektiv erst am späten Nachmittag, tranken eine Tasse Schokolade und machten sich ständig Gedanken, sie könnten nicht mehr in ihre modischen Kleider passen, wenn sie mehr als ein paar Happen zu sich nahmen. Aber von uns nahmen sie einen Fingerhut voll Bouillon für die Gesundheit oder ein Tellerchen Aspik, das ihren Teint verschönte. Unsere Gäste schlugen sich nicht die Bäuche voll. Sie rochen, schauten und ließen sich von den dargebotenen Köstlichkeiten bezaubern. Und wenn es sein musste, nahmen sie einen winzig kleinen Bissen von den Speisen.
    Unsere englischen Gäste hingegen, die stämmigen, rotgesichtigen Reisenden, verlangten nach Fleisch und Pudding, Bier und Tee. Doch selbst unsere standhaften Briten hatten schon viel Wunderliches gesehen, seit sie in Dover an Bord gegangen waren. Warum sollten ihre Zungen nicht auch etwas erleben?
    «Eis aus Kirschblütenblättern», spottete ein gewisser John Bull, als er mein Menü überflog. «Da kann ich genauso gut einen Blumenstrauß fressen. Ihr müsst mir ordentliche Hausmannskost auftischen, Madame.» Doch nach nur einer Woche hatte ich den alten Trottel mit einer belebenden Brühe vom Kalb überzeugt. Und beim Nachtisch ertappte ich ihn, wie er den Löffel wie ein Schuljunge ableckte, als er eine Blüte von meinem köstlichen Kirschblüteneis naschte.
     
    Nachdem das erste Jahr für das Hotel mit einem rauschenden Erfolg zu Ende ging, kam ich in andere Umstände, und alles ging etwas langsamer vonstatten. Ich musste das Korsett aufgeben, und Renzo behandelte mich, als wäre ich aus Kristallglas. Die erste Aufgabe, der ich mich in meinen Mußestunden widmete, bestand aus einem Brief an meine Mutter und Charity, dem ich eine Handvoll Goldmünzen beilegte. Ich erhielt nie eine Antwort, aber noch heute sende ich jedes Jahr Geld und bete inständig, es möge sie erreichen. Nachdem ich diesen Brief geschrieben hatte, erwachte in mir der Wunsch, auch Mrs. Garland zu schreiben. Sie würde vor Stolz platzen, wenn sie erfuhr, dass ich verheiratet war und ein Hotel besaß, oder nicht? Also begann ich oben in unserem Apartment, während unten der Hotelbetrieb weiterlief, eine Nachricht an sie zu verfassen. Ich kramte in meinen Sachen und fand dabei auch die alten Rezepte, die zwischen die Seiten vom
Schatzbuch der Köchin
gestopft waren. Darunter entdeckte ich auch Mrs. Garlands bestes Rezept für Zierküchlein, das ich aus ihrer Kiste entwendet und abgeschrieben hatte, ich böses Ding. Es war schon völlig abgegriffen,
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