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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Autoren: Martine Bailey
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sich wohl um denselben Mann handelt?»
    Ich gab mich naiv, während der Earl mir die ganze Geschichte erzählte. Der englische Aufschneider war erst kürzlich nach Florenz gekommen und hatte sich selbst als erstklassiger Rechner an den Spieltischen gepriesen. Doch die Adeligen am Ort hatten ihn ausgenommen. Alles, was ich hörte, bestätigte meinen Verdacht, es müsse sich bei diesem Betrogenen um Kitt Tyrone handeln.
    «Wenn man bedenkt, was ich dem Gentleman noch schulde …» Ich tat arglos, und das gelang so gut, als spielte ich auf den Bühnenbrettern in der Drury Lane. «Wisst Ihr, wo ich ihn finde?»
    Eine leberfleckige Hand tätschelte meinen Arm. «Er hat in der Nähe des Theaters Quartier bezogen. Gott wird es Euch danken, wenn Ihr eine gute Tat vollbringt. Doch gebt ihm lieber kein Geld in die Hand, Mrs. Cellini. Er ist krank, besessen von diesem Fieber, das ihn an die Spieltische treibt. Ich fürchte, er wird es sofort wieder verspielen.»
     
    Ich zog mich in mein Ankleidezimmer zurück, doch dort fand ich keine Ruhe. Kitt war hier, in Florenz! Ich erinnerte mich voller Unbehagen, dass er seiner Schwester nach Italien gefolgt war. Es reute mich, weil der arme Mann meinetwegen nie von ihrem Schicksal hatte erfahren können. Aber warum war der Narr hiergeblieben? Oh, Kitt, klagte ich laut und bemerkte im Spiegel, wie verärgert ich aussah. Verdammt, ich hatte doch gewusst, dass er schwach und dumm war. Gott stehe mir bei, aber ich musste ihn treffen.
    Ich ließ mir keine Zeit, diese Entscheidung zu überdenken. Mich quälte nur der Gedanke, dass es meinen Mann erzürnen würde, wenn ich Kitt suchte. Er würde versuchen, mich davon abzuhalten, und vielleicht sogar argwöhnen, dass ich mich mit einem Liebhaber traf. Also wollte ich heimlich verschwinden, denn es war das Beste, wenn er es gar nicht erst erfuhr. Ich beschloss, einen hässlichen, schwarzen Schleier zu tragen, wie es die Frauen in der Stadt taten.
    Als Renzo am folgenden Tag unterwegs war, stahl ich mich durch eine Hintertür aus dem Hotel. In dem schwarzen Kleid, das zu meinem Schleier passte, und mit einfachen Lederschuhen redete ich mir ein, als einfache Florentinerin durchzugehen.
    Die Gasse vor dem Theater war ein feuchter Tunnel, in dem es nach Kot stank. Ich musste natürlich fragen, wo der
inglese
Gentleman wohnte. Schließlich zeigte eine alte Frau mit knorrigen Fingern auf eine Steintreppe. Ich erklomm die Stufen und klopfte an die Tür, aber niemand öffnete. Langsam schob ich die Tür auf.
    Mein durch den Schleier getrübter Blick sah sofort, was für ein elendes Quartier das Zimmer war: Eine fleckige Pritsche stand auf dem kahlen Fußboden, das Fenster war mit Pergament verklebt. Dann entdeckte ich die leeren Flaschen mit billigem Schnaps. Und inmitten des Durcheinanders lag betrunken wie ein Kesselflicker der gekrümmte Leib von Kitt Tyrone.
    Ich drückte den Schleier vor meine Nase, sank neben ihm auf einen schiefen Schemel und berührte seinen Arm. «Signore», murmelte ich. «Wacht auf, Signor Tyrone.»
    Seine Lider zuckten und öffneten sich schließlich. «Wer seid Ihr?», krächzte er. Ich fürchte, in meinem Sargtuch aus schwarzer Spitze muss ich ihm wie der Todesengel persönlich erschienen sein.
    «Eine Freundin», sagte ich leise.
    Er schaute mich nicht an. Sein Blick glitt an den Wänden und der Decke entlang, er wirkte wie im Delirium. Dann zog er das fleckige Laken über die Schulter, drehte sich auf die Seite und starrte an die Wand.
    «Ich bin eine Freundin», drängte ich. «Eine Engländerin, die Euch zu helfen wünscht.»
    Er schaute noch immer zur Wand, wo Flecken von zerquetschten Bettwanzen ein abstoßendes Muster bildeten. «Lasst mich in Ruhe», knurrte er.
    Ich saß verwirrt neben ihm. Unter dem süßlichen Alkoholdunst roch er nach Krankheit. Der faulige Geruch eines wahrlich leidenden Mannes. Ich beschloss, dass ich die Führung übernehmen musste.
    «Signor Tyrone», sagte ich ernst. «Ihr müsst mit mir in ein sauberes Haus kommen, wo man sich um Euch kümmert.»
    Er schaffte es noch immer nicht, seinen Blick aus der Erstarrung zu lösen. Verärgert beschloss ich, ihn zu überrumpeln, indem ich ihm mein Gesicht zeigte. Wenn er mich erkannte, würde er schon wieder zur Vernunft kommen, sagte ich mir. Ich schob den Schleier zurück, und einen Moment lang raubte mir die ungesunde Luft den Atem. Dann stand ich über ihm und zeigte ihm mein Antlitz.
    Aber ich war diejenige, die erkennen musste, wie es
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