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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Autoren: Martine Bailey
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fremd. Später wollte er seinen Kopf auf ein kühles Kissen betten, bis das schmerzhafte Pochen hinter seinen Schläfen nachließ. Vor dem Nachtmahl würde er baden, und die Diener sollten seine Kleider reinigen. Danach könnte er sich aller Sorgen entledigen, indem er sich luxuriösem Schlaf hingab.
    «Carinna?», rief er ihren Namen in die Stille, doch nur ein Regen aus verdorrtem Laub raschelte als Antwort. Er stieg zur Terrasse hinauf, wo er einladende Stühle vorfand; die Polster waren von vielen Sommern im Sonnenlicht ausgebleicht. Die Tür stand offen.
    Er tauchte in die dunklen Schatten des Korridors. «Carinna», rief er erneut und blinzelte in die düstere Kühle. «Carinna? Ich bin da.»
    Stille antwortete ihm. Nicht ganz. Das silbrige Klingeln eines Glöckchens erklang vom rückwärtigen Teil des Gebäudes. Also war jemand zu Hause. Er öffnete den Mund und wollte erneut rufen, doch seine Zunge fühlte sich zu trocken an. Dann hörte er ein neues Geräusch, das merkwürdig unregelmäßig war und nicht menschlichen Ursprungs schien. Ein Klirren, und dann Klauen, die über den Boden klickten. Dazu die ganze Zeit das Klimpern dieses winzigen Glöckchens. Leise und behutsam schob er die Tür auf und betrat das erste Zimmer. Es war leer. Bis auf ein paar schäbige Möbel: ein Sofa, ein vergoldeter Spiegel, eine tickende Uhr. Kitt stellte sich auf den Kaminvorleger und lauschte angestrengt, ohne dabei die Tür aus den Augen zu lassen, die in den hinteren Teil des Hauses führte. Jetzt vernahm er nichts mehr außer einem dumpfen, unregelmäßigen Brummen. Und erst da, als er tief die Luft einsog, bemerkte er den Gestank, einen ekligen, schrecklichen Mief, der an die verwesten Eingeweide des Schiffs erinnerte, dem er soeben entkommen war. Er würgte und vergrub Mund und Nase im Stoff seines Hemds. Als er den Kopf senkte, erblickte er aus dem Augenwinkel ein kleines, dämonisches Wesen, das über die Fliesen auf ihn zugerannt kam. Er schrie auf und trat mit dem Stiefel danach. Die Kreatur kreischte vor Schmerz und zog sich wimmernd bis zum Sofa zurück.
    «Bengo!»
    Herrgott, Carinnas kleiner Boxer. Ein Hund, kaum größer als eine Ratte, mit streichholzdürren Beinchen und Rehaugen. Um den Hals trug das Vieh ein silbernes Band mit einem winzigen Glöckchen.
    Er kroch heran und flüsterte den Namen des Hunds. Behutsam streckte er die Hand aus und streichelte den zitternden Rücken. «Wo ist sie, kleiner Freund?»
    Die Augen des Köters blitzten misstrauisch. Der Stummelschwanz zuckte. Gelblich und verkrustet klebte Erbrochenes an seiner Schnauze.
    Kitt drückte sein Taschentuch auf den Mund und zögerte. Er hätte wetten können, dass der Tod in diesem Haus lauerte. Dennoch wappnete er sich, um in das dahinterliegende Zimmer zu gehen. Dort fand er endlich Antworten auf die Frage, weshalb er so weit hatte reisen müssen.
    Vor ihm erstreckte sich ein Tisch, auf dem ein Festmahl angerichtet war. Doch auf den samtgepolsterten Stühlen saßen keine Gäste. Keine Leichen waren über dem Tischtuch zusammengebrochen. Ein gewaltiger Klumpen Fleisch hatte den Ehrenplatz inne und wimmelte vor lauter blauschwarzer Fliegen, als lebte er noch. Die Torten auf vergoldetem Porzellan waren mit grauem, pudrigem Schimmel überzogen, und aus dem Brot wuchsen die buschigen Härchen eines Schimmelpilzes. Eine Pyramide aus Zuckerwerk war in sich zusammengefallen. Weintrauben waren zu runzligen Rosinen geschrumpft. Er wich zurück, suchte tastend Halt und entdeckte auf dem Buffet einen Dekanter mit Wein. Instinktiv streckte er die Hand aus, um sich mit einem Schluck zu stärken. Doch als er das Glas umfasste, kroch eine fette Fliege über den Rand und flog brummend direkt in sein Gesicht. Er schlug sie beiseite und sah jetzt mit aller Deutlichkeit das Maß der Verwesung: Perlige, dicke Maden wanden sich zwischen den verschimmelten Speisen. Das weiße Tischtuch war mit den angetrockneten Exkrementen des Hunds verschmiert. Er verließ fluchtartig das Zimmer, rannte durch den Korridor auf die offene Eingangstür zu und schnappte gierig nach Sauerstoff.
    Die Luft belebte Kitt ein wenig, obwohl sein rasender Verstand keine Ruhe fand. Schweiß brach auf seinem Gesicht aus. Wo zum Teufel steckten die Diener? Verstohlen wie eine Schlange schob Bengo sich zwischen seinen Füßen hindurch und schoss ins Unterholz. Dieser Hund machte das schon richtig, fand Kitt. Carinna war nicht hier, und irgendetwas war geschehen. Seine jugendliche Abscheu all
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