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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Schmeichler sagten, sie sähe aus wie Dreißig, und anständige Leute schätzten sie auf vierzig Jahre. Sie war nicht eitel darauf, aber sie nahm es doch als Bestätigung dafür, daß sie mit ihren Kräften gut hauszuhalten wußte, trotz der doppelten beruflichen Belastung. Nun ja, und trotz der fehlenden privaten Belastung.
    Diesmal nahm sie sich nicht die gewohnte Zeit für Gymnastik und Kosmetik. Schon kurz nach drei Uhr betrat sie ihr Arbeitszimmer im Ministerium. Auf dem Schreibtisch lag bereits die Speichereinheit mit den Angaben zur Sache, die bisher bekannt waren.
    Sie steckte das flache Scheibchen in den Leser und studierte aufmerksam den Inhalt. Dann schaltete sie ab und schloß die Augen.
    Ausgerechnet Neuenwalde! Warum gerade Neuenwalde, und warum gerade ich! Konnte es nicht, sagen wir, Kyritz sein, konnte es nicht Professor Müller treffen?
    Aber das war natürlich alles Unsinn. Persönliches durfte keine Rolle spielen. Es war nun mal dort passiert, und es war ihr Fachgebiet, also was sollte es?
    Sie hob den Kopf und lächelte. Immer noch nicht überwunden? Längst überwunden! Und was ist nun zu tun? Sie strich sich mit der Hand über das aschblonde Haar, und wie immer, wenn sie nachdachte, blieb die Hand auf dem Haarknoten hängen, und wie immer ärgerte sie sich ganz kurz über diese Angewohnheit und kam dann zu einem Entschluß. Sie verband den Leser mit der Dok-Buchse und gab zwei Stichwörter ein: „Schlaf“ und „EEG“. Aus den erscheinenden Literaturangaben notierte sie sich einiges. Sie bevorzugte wie fast alle älteren Leute aus Gewohnheit die schriftliche Aufzeichnung und benutzte nur sehr selten ihren Taschenrekorder.
    Die Notizen befriedigten sie nicht, die Bücher würde sie mitnehmen und auf der Fahrt studieren, zur Auffrischung. Aber sie erinnerte sich, irgend etwas Wichtiges gelesen zu haben, das hier nicht auftauchte. Sie überlegte konzentriert, wann und wo das gewesen war. In den Konferenzmaterialien am Nachmittag? Nein, dann hätte sie es behalten, dann wäre es nicht so schwierig, den verwischten Eindruck zurückzuholen. Es mußte mehr zufällig gewesen sein, gelesen oder gesehen ohne Aufmerksamkeit – richtig, sie hatte vor der Konferenz einen Augenblick im Foyer gesessen, an einem Tisch, dort lagen – mehr Repräsentation als Information – die neuesten Fachzeitschriften. Sie hatte darin geblättert, nur geblättert, nicht gelesen. Überschriften allenfalls… Und die neuesten Ausgaben waren anscheinend noch nicht im Dokzentrum, Schlamperei verfluchte… Am Ende lagen sie noch dort im Foyer?
    Sie rief die Wache an. „Öffnen Sie mir bitte das Foyer zum großen Konferenzsaal, ich komme sofort herunter!“
    Sie ärgerte sich jetzt wirklich. Aus Repräsentationsgründen hatte man offenbar die Tische im Foyer mit den neuesten Zeitschriften dekoriert, statt sie sofort ins Dok zu geben – nur damit irgendwelche Besucher vielleicht erstaunt die Brauen hochzogen, was es hier alles gab. Sie nahm sich vor nachzuforschen, wer das angeordnet hatte, aber dann schob sie diesen Gedanken beiseite und überlegte:
    Was hatte sie im Foyer alles getan?
    Sie stand nun schon in der Tür, die der Wachmann höflich offenhielt. Ein kurzer Blick zeigte, daß auf all den Tischen noch Literatur lag. Also – zuerst war sie nach links gegangen, um dort eine bulgarische Kollegin zu begrüßen. Sie ging dorthin und blieb stehen. Dann war der kleine Japaner gekommen und hatte sie zu einer größeren Gruppe entführt, die vor der rechten Flügeltür gestanden hatte. Sie hatte dort etwa ein Dutzend Hände geschüttelt… Es schien, sie hatte jetzt eben ganz in Gedanken die Bewegungen wiederholt, denn sie sah das Gesicht des Wachmanns, der sie mit ungläubigem Staunen anblickte. Es mußte ja auch ein geisterhaftes Bild sein, wie sie hier herumirrte, aber soll er gucken, nicht ablenken lassen… Dann war der gekommen, dann hatte sie den gesehen, und dann hatte sie es satt gehabt und sich – ja, hier in diese Ecke zurückgezogen, an diesen Tisch.
    Sie setzte sich, nahm die Zeitschriften, blätterte, fand aber nichts, das ihr etwas sagte. Enttäuscht schlug sie die letzte Zeitschrift zu und legte sie auf den Tisch. Noch ein Blick – ja, das war es! Sie hatte die Zeitschrift mit der Rückseite nach oben hingelegt, und darauf stand eine Ankündigung: Im nächsten Heft eine Reportage aus Akademgorodok – die Nullserie der neuen Total-Elektrografen!
    Der kurze, ankündigende Begleittext genügte ihr. Sie stand
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