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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original
Autoren: Robert Jordan
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zusammenkamen. Ihre Blicke schweiften umher und musterten die
Menge. Bei all diesen Menschen war es schnell passiert, dass sie einer ihrer
vier Schwestern über den Weg lief. Nach Möglichkeit ging sie ihnen aus dem Weg.
Berowyn, die Älteste, war die Schlimmste. Knochenbruchfieber hatte sie
vergangenen Herbst zur Witwe gemacht und im Frühling nach Hause zurückkehren
lassen. Es fiel schwer, für Berowyn kein Mitleid zu empfinden, aber sie machte
um alles so viel Aufhebens und wollte Egwene anziehen und ihr das Haar kämen.
Manchmal weinte sie und erklärte ihr, wie froh sie doch war, dass das Fieber
nicht auch ihre kleine Schwester dahingerafft hatte. Es wäre Egwene viel
leichter gefallen, Verständnis für Berowyn aufzubringen, hätte sie den Gedanken
verdrängen können, dass ihre Schwester sie manchmal als das Baby betrachtete,
das sie zusammen mit ihrem Mann verloren hatte. Vielleicht sogar immer. Und so
hielt sie Ausschau nach Berowyn. Oder einer der anderen drei. Das war alles.
    In der Nähe der Schafpferche blieb sie
stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Der Eimer war jetzt
leichter, und es bereitete keine Mühe mehr, ihn mit einer Hand zu halten.
Verstohlen betrachtete sie einen Hund, der auf sie zutrottete, ein großes Tier
mit kurzhaarigem, lockigem, grauem Fell und intelligenten Augen, die zu wissen
schienen, dass sie keine Bedrohung für die Schafe darstellte. Aber er war sehr
groß und reichte einem erwachsenen Mann fast bis zur Hüfte. In der Hauptsache
halfen die Hunde, die weidenden Herden zu bewachen; sie beschützten sie vor
Wölfen und Bären und den großen Bergkatzen. Egwene wich langsam vor dem Hund
zurück. Drei Jungen gingen an ihr vorbei und trieben ein paar Dutzend Schafe
dem Fluss entgegen. Sie waren alle fünf oder sechs Jahre älter und hatten kaum
einen Blick für sie übrig; ihre Aufmerksamkeit war ganz auf die Schafe
gerichtet. Das Treiben war nicht schwer – das hätte sie auch gekonnt, davon war
sie überzeugt –, aber sie mussten darauf achten, dass keines der Schafe
Gelegenheit zum Grasen erhielt. Ein Schaf, das vor dem Scheren fraß, konnte
Luftnot bekommen und sterben. Ein schneller Blick in die Runde verriet ihr,
dass sie mit keinem der Jungen in der Nähe sprechen wollte. Nicht, dass sie
nach einem bestimmten Jungen Ausschau gehalten hätte. Sie sah sich lediglich
um. Davon abgesehen würde sie den Eimer bald wieder auffüllen müssen. Es war
Zeit, den Rückweg zur Weinquelle anzutreten.
    Diesmal entschied sie sich, an den
aufgebockten Tischen vorbeizugehen. Die Gerüche waren verführerisch, so gut wie
an jedem Feiertag, von gebratener Gans bis zu Honigkuchen war alles vorhanden.
Das würzige Aroma der Honigkuchen stieg ihr noch verlockender in die Nase als
alles andere. Jede Frau, die gekocht hatte, würde ihr Bestes für die Schafschur
gegeben haben. Während Egwene an den Tischen vorbeiging, bot sie jeder der
Frauen, die das Essen vorbereiteten, Wasser an, aber die lächelten sie nur an
und schüttelten den Kopf. Sie machte jedoch weiter, und das nicht nur wegen der
Gerüche. Zwar brodelte hinter den Tischen Teewasser über Kochfeuern, trotzdem
hatten einige der Frauen ja vielleicht Lust auf einen Schluck kühles
Flusswasser. Nun ja, mittlerweile war es vielleicht nicht mehr ganz so kühl,
aber …
    Ein Stück voraus schlich Kenley an den
Tischen vorbei und versuchte dabei nicht länger, sich größer zu machen, als er
war. Er schien sich höchstens noch kleiner zu machen. Er trug den Eimer noch
immer mit einer Hand, aber der Art und Weise nach zu urteilen, wie er
herumbaumelte, musste er leer sein, also konnte Kenley unmöglich noch
Trinkwasser anbieten. Egwene runzelte die Stirn. Es gab nur ein Wort, das auf
ihn passte: Verstohlen. Was hatte er bloß …? Plötzlich schoss seine Hand vor
und schnappte sich vom Tisch einen Honigkuchen. Egwene blieb der Mund offen
stehen. Und er hatte den Nerv, sie als Kind zu bezeichnen? Er war genauso
schlimm wie Ewin Finngar!
    Bevor Kenley einen Schritt machen konnte,
war Frau Ayellin über ihm wie ein zuschlagender Jagdfalke; mit der einen Hand
ergriff sie sein Ohr und mit der anderen den Honigkuchen. Es waren ihre
Honigkuchen. Corin Ayellin, eine schlanke Frau mit einem dicken grauen Zopf,
buk die besten Kuchen von ganz Emondsfelde. Mit
Ausnahme von Mutter, fügte Egwene
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