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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman
Autoren: Maja Ilisch
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Waverly.«
    Ich brauchte eine Zofe. Alles andere wäre unsinnig gewesen. Wenn ich nicht einmal eine eigene Zofe hatte … Und der Gärtner war wichtig, um zumindest den Garten vor dem Verfall zu bewahren. Wenn ich auch noch mit ansehen musste, wie sich mein geliebter Park in eine wüste Ödnis verwandelte, würde mein Herz hier endgültig verwelken. Übrig waren nun alle jungen Leute, alle, die etwas Leben ins Haus hätten bringen können: Tom und Guy, Evelyn und Lucy, Sally, Anne und Clara. Es tat mir leid, aber ich konnte keinen von ihnen brauchen. Es würde ihnen leichter fallen, eine neue Stellung zu finden, zudem fehlte ihnen eher der Respekt mir gegenüber, weil sie immerzu vor Augen hatten, dass diejenige, die ihnen da Befehle gab, kaum älter war als sie selbst. Natürlich war mein menschlicher Körper noch deutlich jünger als Köchin, Haushälterin, Zofe, Butler und Gärtner, aber die achteten nicht mehr auf dergleichen, sie mussten immer damit rechnen, älter zu sein als ihre Herrschaften, und dennoch immer ihre Befehle ausführen.
    »Alle anderen …« Ich stutzte. In einem Augenpaar sah ich etwas, das ich nicht verstand, das etwas in mir berührte. Mich mit dem Personal verbünden war das Letzte, was ich wollte, und ich musste mich zwingen, den Blick nicht zu erwidern, aber ein unwillkürliches Lächeln konnte ich nicht vermeiden. Ich zwinkerte und rang um Fassung, während mir das Herz in der Brust zu hämmern begann. Es ging nicht. Fünf Personen unter einem Bann zu halten war das Äußerste, was ich mir zutraute, und ich hatte alle Personen ausgewählt, auf deren Dienste ich nicht verzichten konnte.
    Aber wer sollte das Haus sauber halten? Mrs. Arden würde ihr Bestes geben, aber ich konnte nicht verlangen, dass sie in ihrem Alter noch auf Knien herumrutschte und den Boden in der Halle schrubbte, und das galt auch für Dawkins, ganz zu schweigen von der Köchin. Natürlich, ich konnte es ihnen befehlen, und sie würden es tun, aber es hatte doch etwas Unnatürliches, Unwürdiges. Schaffte ich noch eine mehr? Ich musste es versuchen. Ich schluckte. »Alle anderen, bis auf Lucy, werden gehen«, sagte ich. »Packen Sie Ihre Habseligkeiten zusammen, dann kommen Sie zu mir für Ihr Zeugnis und den Lohn für die kommende Woche, den Ihnen die Familie Molyneux als Anerkennung der geleisteten Arbeit auszahlt.« Ich nickte der Gruppe zu, die am Fuß der Treppe versammelt stand, als solle ein Photo von ihnen aufgenommen werden. »Sie dürfen sich jetzt entfernen.«
    Eines nach dem anderen. Erst die Unerwünschten vor die Tür setzen. Ihre Zeugnisse hatte ich bereits vorbereitet, auch wenn mir lieber gewesen wäre, Rufus hätte sie selbst ausgestellt, denn mir hatte keiner dieser Menschen gedient. Aber es hatte mir die Gelegenheit gegeben, meine neue Unterschrift zu üben. Es gefiel mir, Rose Molyneux zu sein, und der Name sah schön aus in Tinte auf Papier, wenn ich dem X einen langen Schwung verpasste, nicht zu verspielt, aber sehr edel. Ich verstand, warum Violet gerade diesen Namen ausgewählt hatte.
    Dann musste ich meine Kraft sammeln und das verbleibende Personal bezaubern, einen nach dem anderen. Ich wusste nicht, ob ich alle an einem Tag schaffen konnte; es war wünschenswert, aber ich hatte noch nicht einmal eine Prise Feenstaub, um mir die Arbeit zu erleichtern. Das war eine Prüfung meiner Kraft. Wenn ich stark genug war, meine Dienerschaft zusammenzuhalten, war ich auch stark genug, um Rufus die Stirn zu bieten, oder Violet, sollte ich sie doch noch einmal wiedersehen. Und die Puppen … Auch für die musste ich stark genug sein.
    Drei oder vier Stunden später war von dieser Stärke nicht mehr viel zu spüren. Es war doch alles zu viel für mich. Ich hatte meinen halben Hofstaat vor die Tür gesetzt, jeden mit einem Handgeld aus der Kasse versehen, die mir Rufus für diesen Zweck überlassen hatte, und allein schon in der Liste nachsehen zu müssen, wie viel nun wer zu bekommen hatte, raubte mir jeden Nerv. Ich schenkte Lethewein aus in Sherrygläsern, und ich wusste, dass es ungewöhnlich erscheinen musste, wenn ein entlassener Angestellter von seinem Arbeitgeber ausgerechnet noch auf einen guten Schluck eingeladen wurde, aber was sollte ich machen?
    Ich durfte nicht zulassen, dass auch nur ein Wort von den Feen nach außen drang, dass die Dorfbevölkerung mit ihren eisernen Piken und Mistgabeln das Anwesen stürmte wie im dunklen Zeitalter. Wo Violet dem Mob mit einer einzigen Geste hätte Einhalt
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