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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen
Autoren: Barbara Wood
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der Bucht aufragte, und sah ihren Ehemann auf seinem Posten stehen, wo er den Wind und den Himmel und das Meer nach Hinweisen auf einen huracán absuchte. Der mit einem Lendenschurz aus Palmfasern bekleidete rundliche Alte, dessen faltiger nussbrauner Körper mit den Symbolen seiner heiligen Berufung bemalt war, war der wichtigste Mann auf der Insel, wichtiger sogar als der Stammeshäuptling.
    Da man nie wusste, wann ein huracán drohte, ließ sich keine entsprechende Vorsorge treffen, um alle in Sicherheit zu bringen. Derartige Stürme konnten ganze Volksstämme vernichten. Die Perleninsel jedoch war mit einem Mann gesegnet, der einer Ahnenreihe von Sturmlesern entstammte, die die Fähigkeit besaßen, einen huracán über weite Entfernungen hinweg zu erahnen, auch wie stark er sein würde und wann er sich über der Insel austoben würde.
    Guama stellte allerdings fest, dass ihr Ehemann sein Augenmerk nicht auf den Horizont gerichtet hatte, sondern auf die jungen Leute unter ihm. Und als sie sah, wie gebannt er auf Tonina starrte, wusste sie, dass dies an den Delphinen lag.
    Seit sie und Huracan das Delphinpärchen vor sechs Tagen jenseits des Riffs hatten herumtollen sehen, hatten sie immer wieder nach Zeichen und Omen Ausschau gehalten, um den Wunsch der Götter zu deuten. Forderten sie etwa Tonina zurück? Sollte sie nur auf Zeit unter ihnen geweilt haben? Und schickten sie sich jetzt an, fragte sich Guama beklommen, ihnen Tonina, die zu der mit einem Tabu belegten Stelle schwamm, wegzunehmen?

    Das Wasser in der Bucht war tief und warm und von einer sanften Strömung bewegt. Man konnte bis auf den sandigen Boden sehen, auf dem stachlige Seeigel und Seesterne lebten. Wortlos schwammen Tonina und Macu nebeneinander her, immer weiter weg vom Strand, zusehends näher an das große Korallenriff heran. Der Wellengang wurde stärker, Teppiche von Seetang bedeckten das Wasser. Macu zog, von seinem Zorn vorwärtsgepeitscht, davon, dachte nur daran, diese junge Frau zu demütigen, die sich einbildete, besser als ein Mann zu sein. Er tauchte unter dem Tang hindurch und kurz darauf auf der anderen Seite wieder auf.
    Anstatt weiterzuschwimmen, blieb Tonina wassertretend zurück und beobachtete ihn. Sie dachte daran, wie oft Guama ihr geraten hatte, bei einem Wettkampf einen Jungen gewinnen zu lassen. Diesmal werde ich mich daran halten, sagte sie sich. Macus Lächeln gefiel ihr, und die unverhoffte Aufmerksamkeit, die ihr ein gut aussehender Fremdling schenkte, ließ ihr Herz höher schlagen. Wenn sie ihn gewinnen ließ, würde er vielleicht abermals auf die Perleninsel kommen und sie nach einer Zeit des Werbens heiraten.
    Und dann könnte sie wie alle anderen sein und endlich anerkannt werden.
    Sie tauchte unter. Aber statt unterhalb des Tangs auf das verfemte Gewässer zuzuhalten, schwamm sie zu einer von der Sonne beschienenen Stelle des Korallenriffs, wo es von Fischen nur so wimmelte.
    Hier, inmitten farbenprächtiger Fischschwärme, die hin und her flitzten, fühlte sie sich wohl. Sie ließ sich über verästelte Korallen und Nester von Schwämmen treiben, lächelte einem vorbeigleitenden goldglänzenden Fisch zu. Ein Glücksgefühl überkam sie. Macu hatte sie angeschaut, sie auserwählt! Zum ersten Mal spürte Tonina, die bislang immer nur mit ihrem Aussehen gehadert hatte, wie schön es war, die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes auf sich gelenkt zu haben.
    Sie drehte sich auf den Rücken, blickte über die Wasseroberfläche, auf der das Sonnenlicht tanzte und glitzerte. Nur noch ein Weilchen so verharren, dann würde sie zur anderen Seite des Tangteppichs zurückschwimmen, vor Macu auftauchen und ihm den Sieg in diesem Wettkampf zugestehen.

    Macu hatte die Lungen mit Luft vollgesogen, ehe er senkrecht nach unten getaucht war. Jetzt sah er sich in einer wundersamen Welt, in der lebende Korallen im gesprenkelten Sonnenlicht tanzten und bunte Fische ihn umschwänzelten. Als er urplötzlich das massige, vom Sonnenlicht nur schwach beleuchtete Skelett unter sich ausmachte, zog sich alles in ihm zusammen. Es gab es also doch, dieses Ungeheuer. Und wie riesig es war! Zögernd schwamm er näher. Das Rückgrat des Monsters lag auf dem sandigen Boden, und seine Rippen waren auf eigenartige Weise nach oben gekrümmt. Merkwürdig war auch die braune Färbung der Knochen.
    Seine Furcht wandelte sich zu Neugier. Macu tauchte nach unten und fasste nach einer Rippe. Sie war aus Holz!
    Er riss die Augen auf. Das hier war kein
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