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Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Titel: Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Egeland
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missionarischem Eifer reiste er in der Weltgeschichte herum und stellte auf Konferenzen seine Internetseite vor. Offenbar blieb dabei keine Zeit übrig, seine Mittelchen und Methoden auf sich selbst anzuwenden.
    »Haben Sie in letzter Zeit was von Theo gehört?«, fragte Garbi.
    »Wir haben telefoniert«, antwortete Moretti.
    Garbi winkte einen Kellner heran und bestellte eine Bloody Mary.
    »Theo ist ein bekannter Nostradamus-Forscher«, soufflierte mir Angelica. »Theophilus de Garencières – er lebt in Salon-de-Provence, der Heimatstadt Nostradamus’.«
    »Wir haben Sie letzten Monat bei der internationalen Nostradamus-Konferenz in Paris vermisst«, bemerkte Dino.
    »Ich war leider verhindert«, erwiderte Professor Moretti und zwinkerte mir verschwörerisch zu. »Und was halten Sie von Nostradamus, Bjørn?«
    »Tja.« Unerwartete Fragen bringen mich immer aus dem Konzept. Ich brauchte ein paar Sekunden, ehe ich eine ansatzweise vernünftige Antwort zusammenbrachte. »Ich sehe Nostradamus vorrangig als vorausschauenden und talentierten Pestarzt, der irgendwann festgestellt hat, dass sich geheimnisvoll düstere Visionen hervorragend in klingende Münze umsetzen lassen.«
    Der Professor lachte laut und zufrieden.
    »Viele Menschen glauben aber, dass er tatsächlich über hellseherische Fähigkeiten verfügte«, warf Angelica ein.
    »Ganz offensichtlich!«, bekräftigte Garbi.
    »Oder«, entgegnete Moretti, »dass er nur ein Scharlatan war, der sich so vage ausgedrückt hat, dass die Nachwelt in seine Prophezeiungen hineinlesen konnte, was sie wollte.«
    »Lorenzo, Lorenzo …«, sagte Dino betrübt. »Sie haben Ihren Geist noch nicht geöffnet, das sage ich Ihnen nicht zum ersten Mal. Sie lesen Nostradamus buchstäblich, wörtlich. Aber um ihn zu verstehen, müssen Sie erst einmal in die Worte eindringen, dann durch die Worte hindurch und schließlich über die Worte hinaus. Erst dann sind wir in der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen und sie zu deuten.«
    »Oder zu missdeuten …«
    »Seine Vierzeiler sprechen eine deutliche Sprache!«
    »Na ja, da bin ich anderer Meinung. Sie können in Nostradamus hineinlesen, was Sie wollen. Er hat sich sklavisch an das allseits bekannte Erfolgsrezept für Wahrsager gehalten, indem er vage und uneindeutige Formulierungen verwendete, voller Symbolik und Metaphern. Sehr geeignet für die unterschiedlichsten Interpretationsansätze. Ein wohlwollender Leser kann im Nachhinein aus den Formulierungen alles herausholen. Und je mehr Prophezeiungen man macht, desto größer wird die Trefferquote. Nostradamus werden etwa zehntausend Prophezeiungen zugeschrieben. Zehntausend! Pest und Dürre, Erdbeben und Überschwemmungen, Kriege und Invasionen. Natürlich tritt so die eine oder andere Ankündigung auch mal ein, selbst wenn Tausende anderer Prophezeiungen niemals in Erfüllung gehen. Im Grunde genommen ist es kein Hexenwerk, Kriege und Katastrophen, Missernten und Pandemien vorherzusagen. Früher oder später bekommt man recht. Das Geheimnis ist, in Bezug auf das Wo und Wann vage zu bleiben.«
    »Hat Nostradamus nicht den Angriff aufs World Trade Center vorhergesehen?«, fragte ich.
    »Ach, das …«, sagte Dino Garbi mit einem resignierten Seufzer. »Sie können nicht …«
    »Nein, nein«, unterbrach Professor Moretti ihn, »das Beispiel ist sehr interessant. Sie denken natürlich an folgende Strophe …« Professor Moretti zitierte aus dem Gedächtnis:
    In der Stadt Gottes wird ein großes Donnern ertönen.
    Zwei Brüder werden vom Chaos in Stücke gerissen, doch die Festung steht,
    der große Führer wird sich beugen,
    der dritte große Krieg bricht los, wenn die große Stadt in Flammen steht.
    »Die Stadt Gottes – die Weltmetropole New York City!«, fuhr der Professor fort. »Ein mächtiger Donner – die Flugzeuge, die in die Wolkenkratzer fliegen und explodieren. Zwei Brüder – die Zwillingstürme, die durchs Chaos zerstört werden, durch einen Terroranschlag. Die Festung hält stand – nämlich das Pentagon. Der große Führer beugt sich – Präsident Bushs Niederlage. Der dritte große Krieg – der Krieg gegen den Terror und der Terror der Islamisten gegen die westliche Welt.« Professor Moretti hob die Hände. »All diese Interpretationen lassen sich wunderbar drehen und zurechtbiegen. Gottes Stadt könnte genauso gut Jerusalem, Mekka oder Rom sein. Wann wurde New York je als Gottes Stadt bezeichnet? Und wie viele große Kriege hat es seit Nostradamus’ Zeiten schon
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