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Das nordische Dreieck

Das nordische Dreieck

Titel: Das nordische Dreieck
Autoren: Inka Loreen Minden
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Lungen gepresst.
    »Mutter«, wisperte er, doch sie bewegte sich nicht. Er konnte kaum Atem holen, schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Und er hatte Angst. Unendlich große Angst.
    Seine Eltern – sie waren tot. Tot! Die Erkenntnis sickerte langsam in sein gelähmtes Gehirn.
    Sein Herz hämmerte, er japste nach Luft, roch Mutters dezentes Parfüm, spürte ihre Körperwärme. Sie rührte sich nicht, ihr Atem schlug nicht gegen seine Wange. Ihre Augen waren halb geöffnet. Sie starrte ihn an, als hätte sie ihn vor ihrem Tod noch ein letztes Mal sehen wollen.
    Ein Paar schwarzer Schuhe tauchte neben seinem Kopf auf und David spürte den Lauf der Waffe an seiner Stirn, die Hand des Mörders zitterte stark. Sein Gesicht konnte er nicht erblicken.
    »Was seid ihr für Freaks?« Die Stimme klang schrill. »Steht ihr mit dem Teufel im Bunde?«
    Für einige Menschen waren sie gewiss Freaks, wie sie auf Jahrmärkten vorgeführt wurden. Bald aber nicht mehr. David hatte Angst vor einem qualvollen Tod, trotzdem fürchtete er ihn als solches nicht. Lediglich die Schmerzen. Er war schon immer neugierig gewesen, ob es danach irgendwie weiterging. Außerdem wollte er seinen Eltern nachfolgen, da er nicht wusste, wie er ohne sie weiterleben sollte.
    Er machte sich bereit, kniff die Lider zusammen, weinte und hoffte, dass Granny lebte. Was, wenn diese Kerle bereits bei ihnen im Haus gewesen waren?
    David verfluchte sich, dass er so wenig Zaubertalent hatte. Da er kein reinrassiger Magier war, besaß er keine ausgeprägten Fähigkeiten. Er hatte es immer wieder versucht, um ein so großartiger Mann wie sein Vater zu werden, es jedoch irgendwann nicht mehr so verbissen gesehen und sich auf die Naturwissenschaften gestürzt – ein weiteres Thema, bei dem er Vater tatsächlich nacheifern und stolz machen konnte. Er besuchte ein gewöhnliches College, aber alles, was er über Wissenschaft und die magische Welt wissen musste, lehrte ihm Vater.
    Plötzlich hörte David ein Fauchen. Er schlug die Augen auf und sah, wie der vermummte Mann neben ihm weggerissen wurde. Einem Schrei folgte ein knackendes Geräusch, als würde Holz brechen. Mutters schwerer Körper wurde von ihm heruntergerollt, er selbst war starr vor Schreck. Eine Gestalt in einem Mantel beugte sich über ihn. David erkannte wegen der Dunkelheit zuerst nur dessen Silhouette.
    »Hab keine Angst«, sagte der Mann mit tiefer Stimme, die einem Knurren glich. Sein Gesicht kam näher und David atmete auf. Es war kein Mann, sondern ein Junge, etwa in seinem Alter. Nur mit seinem Aussehen stimmte etwas nicht. Oder spielte ihm seine Panik einen Streich? David glaubte, geschlitzte Pupillen zu erkennen und eine mit Krallen bespickte Hand, die der Junge ihm hinhielt. Als er erneut sprach und David das Raubtiergebiss sah, schrie er.
    Die Bilder flackerten, der Traum neigte sich dem Ende zu. Zum Glück.

    David hasste diesen Albtraum, den er auch nach all den Jahren regelmäßig hatte. Er schrie immer noch und war froh über Grannys schlechtes Gehör. Sie wachte nicht mehr davon auf. Aber jemand war bei ihm und streichelte seinen Kopf. David hörte ein Wispern: »Hab keine Angst. Niemand wird dir je wieder etwas antun. Ich werde dich auf Ewig beschützen.«
    Die leise Stimme lullte ihn ein; er sank tiefer in den Dämmerzustand und erinnerte sich:
    Vor Angst war er fast ohnmächtig geworden. Das Wesen, das wie ein junger Mann ausgesehen hatte, mit verstrubbeltem Haar, kaum älter als er, packte ihn unter Knien und Armen. Es hob ihn hoch und drückte ihn gegen seine nackte Brust. War das vielleicht der Tod, der ihn holen kam? Lebte David womöglich nicht mehr?
    Er schaute hinunter zu seiner toten Mutter. Daneben lag der Vermummte, den Kopf seltsam verrenkt, und starrte ihn an. Es lag derselbe leere Ausdruck in seinen Augen wie bei Mutter. Das Tuch vor seinem Gesicht war nach unten gerutscht, aber David kannte den Mann nicht.
    Auch zu seinem Vater blickte er ein letztes Mal.
    Tot. Aus. Vorbei.
    Schreie waren zu hören, Pfiffe gellten durch die Nacht. Jemand hatte die Peelers alar miert.
    »Halte dich fest«, sagte das Wesen, worauf David automatisch die Arme um seinen Nacken legte. Er war warm und David spürte das Spiel der Muskeln unter der Haut.
    Mit einer Hand hielt die Kreatur ihn an ihren Leib gedrückt, die andere schlug sie in die Hausmauer.
    David presste die Lider aufeinander. Das Ungeheuer kletterte mit ihm die Wand hoch! In Windeseile erreichten sie das Dach. Die Kreatur
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