Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen
Autoren: Jack L. Chalker
Vom Netzwerk:
lebte, war ich nicht besiegt, und irgendwie würde es mir gelingen, am Leben zu bleiben. Aber dazu mußte ich essen.
    Ich blickte auf die Knollen am unteren Ende einer Graspflanze, und mit einiger Schwierigkeit gelang es mir, eine davon abzureißen. Sie schienen eßbar; sie hatten einen süßen, angenehmen Geschmack, wie eine Kreuzung zwischen einer Birne und einem Apfel. Nicht schlecht, nur ein wenig hart. Ich erstickte fast, als mir ein Stück davon im Hals steckenblieb und lernte, nur kleine Bissen zu nehmen und sie sorgfältig zu zerkauen.
    Ich aß noch ein paar von diesen Knollen, und sie schmeckten köstlich; je mehr ich von ihnen aß, desto mehr wollte ich essen, und schließlich stopfte ich sie gierig in mich hinein, so rasch ich sie finden und abreißen konnte, bis ich so vollgestopft war, daß beim besten Willen nichts mehr hineinging.
    Ich schreckte plötzlich auf, wie aus einem Traum, und erst jetzt wurde mir voll bewußt, was ich tat. Zum erstenmal, seit ich den ersten Bissen in den Mund gesteckt hatte — vor wie langer Zeit? — dachte ich an etwas anderes als ans Essen.
    Warum?
    Was hatte diesen ungeheuren Hunger in mir ausgelöst? Und zu welchem Zweck? Mir war inzwischen klar geworden, daß auf diesem Planeten wohl nichts zufällig geschah.
    Und dann wußte ich es: Rohmaterial. Wenn ich zu einem Mitglied der Herde transformiert werden sollte, so brauchte man Rohmaterial, um diesen Prozeß einzuleiten. Ich war sicher, daß ich immer wieder von unbezähmbaren Hungergefühlen befallen werden würde, die nur durch diese Knollen gestillt werden konnten, die mich in das Rohmaterial verwandeln würden, mit dem sie tun konnten, was sie tun wollten.
    Ich blickte umher und sah, daß viele der Pflanzenfresser mich anblickten, und ich glaubte, Mitleid und Trauer in ihren allzumenschlichen Gesichtern entdecken zu können. Viele von ihnen mußten dasselbe durchgemacht haben, erkannte ich. Sie verstanden. Ich fragte mich, wieviel sie verstanden. Wußten sie, wenigstens jetzt, was sie in diesen Zustand gebracht hatte?

    Ich entschied, daß jetzt die Zeit gekommen war, den Kontakt mit ihnen herzustellen, falls das möglich sein sollte, aber als ich auf sie zuging, überkam mich ein plötzliches Schwindelgefühl, und ich mußte schließlich stehenbleiben und mich ins Gras setzen, das schmerzhaft in meine nackte Haut schnitt.
    Ich hatte ein eigenartiges Gefühl, seltsam — wie ich es noch nie gehabt hatte. Nicht krank eigentlich, nur entsetzlich müde, desorientiert. Ich hatte nur einen Wunsch: mich im Gras auszustrecken und zu schlafen. Und das tat ich.
    Das Grollen von Donner und das Rauschen von Regen weckten mich. Ich lag noch immer im Gras, aber der Himmel war jetzt von einem drohenden Grau, und das Gewitter stand fast genau über mir. Ich sprang auf und lief auf den Fluß zu. Unter den Bäumen an seinem Ufer würde ich wenigstens etwas geschützt sein. Ich fühlte mich blendend — nicht high, nur richtig gut. Ich sprintete auf die Bäume zu und schaffte es gerade, bevor der Wolkenbruch begann.
    Vom Blätterdach der Bäume mehr oder weniger geschützt, nahm ich mir jetzt die Zeit, mich zu betrachten. So weit ich es feststellen konnte, hatte ich mich nicht verändert. Ich lehnte mich beruhigt zurück, erleichtert, daß ich nicht als Monster erwacht war.
    Was also hatte sich verändert? fragte ich mich. Wo war die Masse von Knollen geblieben, die ich in mich hineingestopft hatte?
    Die Temperatur war durch das Gewitter spürbar gefallen, und ich fröstelte ein wenig.
    Einen Moment später wußte ich, wo einige der Knollen geblieben waren — denn ich mußte plötzlich kacken, und wie! Und ich mußte es au naturel tun. Nun, das geschah nicht zum erstenmal, aber in der Vergangenheit hatte ich nicht nur kaltes Wasser gehabt, um mich danach zu säubern.
    Das Gewitter dauerte über eine Stunde, und danach rollte noch immer leiser Donner über die Savanne. Es blieb dunkel und ungemütlich, obwohl die Temperatur erstaunlich rasch wieder anstieg.
    Kurz darauf schwitzte ich aus allen Poren und hatte das Ge-fühl, in einer dicken, feuchten Decke zu stecken. Die Pflanzenfresser waren bei Einsetzen des Regens verschwunden und lie-

    ßen sich auch jetzt noch nicht wieder blicken, obwohl einige der anderen Tiere bereits draußen waren.
    Etwa eine halbe Stunde später beschloß ich, zu dem Dorf zu gehen. Aber bevor ich den Entschluß in die Tat umsetzen konnte, wurde ich wieder von einem unbezwingbaren Hungergefühl gepackt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher