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Das Monster von Moskau

Das Monster von Moskau

Titel: Das Monster von Moskau
Autoren: Jason Dark
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tot, und ich lebe!, dachte Wanja. Sie wunderte sich darüber, dass sie es hinnahm. Sonst hatte ihr das Wort »Tod« schon Angst eingejagt, aber jetzt nicht mehr.
    Sie warf wieder einen Blick in die Kirche. Da bewegten sich die beiden Lichtstrahlen, ansonsten passierte nichts. Keine Stimmen, keine Kämpfe, nicht mal Schritte, die...
    Wanja schrak plötzlich zusammen, weil sie ein anderes und fremd klingendes Geräusch gehört hatte. Ein Klopfen auf dem Boden, als wäre in der Nähe etwas eingeschlagen.
    Sie drehte sich.
    Ihr Erschrecken war kurz und heftig, und das mussten auch die beiden Ankömmlinge gesehen haben, denn plötzlich erreichte sie eine beruhigende Stimme.
    »Wir sind es nur, Wanja«, sagte der Mann, »Valentin und Malinka...«
    ***
    War das Monster da? Hielt es sich tatsächlich hier verborgen, oder hatten wir aufs falsche Pferd gesetzt?
    Karina ging neben mir her. Sie bewegte sich fast auf Zehenspitzen, als hätte sie Angst davor, jemanden zu stören. Ihr Atem ging flach, und selbst im Dunkeln war zu sehen, dass sich ihre Augen bewegten. Unsere Lampen hielten wir eingeschaltet in den Händen. Die Strahlen wanderten wie verlängerte helle Arme durch das Dunkel der kleinen Kirche, die nach wie vor von diesem Geruchsmischmasch aus kaltem Wachs und Weihrauch gefüllt war.
    Kein Besucher hockte auf den Stühlen. So aneinander gestellt wirkten sie wie ein konstruiertes Gerippe aus geometrisch angelegten Knochen. Es war auch niemand zu sehen, der sich unten zwischen den Beinen verborgen gehalten hätte. Wenn wir dort hinleuchteten, erschreckte unser Strahl niemanden, und es bewegte sich auch nichts.
    Wir hatten den Weg genommen, den ich schon kannte und ließen die Sitze rechts liegen. Karina wusste, dass wir auf den toten Popen treffen würden, doch als die starre Gestalt jetzt im Kegel der Lampen auftauchte, da blieb sie doch stehen und stöhnte leise auf.
    Der Kopf des Mannes war nicht mehr zu sehen. Begraben unter einem Hügel aus kaltem, starrem Wachs.
    »Mein Gott, was muss dieser Menschen gelitten haben«, flüsterte Karina.
    Ich wollte ihr nicht widersprechen. Überhaupt war es in dieser Lage besser, wenn wir schwiegen und die Eindrücke auf uns wirken ließen. Wobei wir keine Gefahr sahen. Es blieb alles so verdammt still und war schwer zu verstehen.
    Wir blieben beisammen und richteten die beiden Lampenstrahlen nach vorn, wo der Altar lag. Bis dorthin war ich noch nicht gekommen und hatte ihn mit der Helligkeit auch nur kurz gestreift. Jetzt tanzten zwei Lichter über den Altar hinweg.
    Hätte man ihn prächtig nennen können?
    Im Prinzip schon, und wenn man gewisse Dinge relativierte. Für einen sehr ärmlich wirkenden Ort wie diesen hier war der Altar wirklich prächtig. Er bestand aus drei Teilen. Ein großes Triptychon mit einem Mittelteil, von dem aus die beiden anderen abgingen und leicht nach vorn gekantet waren, sodass es aussah, als wollten sie sich dem Betrachter entgegensenken.
    Das war der erste flüchtige Eindruck. Der zweite allerdings war interessanter, denn da entdeckten wir, dass sich jemand an diesem Altar zu schaffen gemacht hatte.
    Die Seitenteile waren dem Betrachter zwar entgegengedrückt, aber sie sahen nicht mehr so aus, wie sie hätten aussehen sollen – und sie hingen nicht so fest in ihren Verbindungen.
    Beide waren schief. Es wirkte so, als hätte jemand daran gezerrt oder sich daran gehängt, um sie vom Mittelteil zu entfernen. Es war genau das, wonach wir gesucht hatten. Mein Verdacht stimmte also. Hier wollte jemand die Kirche entweihen. Der Teufel, der Hexer, der zurückgekehrte Frevler und Selbstmörder.
    »Ich wusste es«, murmelte ich.
    Karina Grischin nickte. »Dann war er hier, John.«
    Wir standen noch recht weit vom Altar entfernt. Die Steinplatte wurde noch von einem Tuch bedeckt, sie war allerdings auch nicht leer, denn auf ihr lag ein Buch.
    »Bleib du hier«, wies ich Karina an, weil ich mir den Altar aus der Nähe anschauen wollte. Der Lampenstrahl hatte das Buch bereits berührt, doch ich wollte wissen, was genau mit ihm passiert war.
    Als ich die wenigen Meter ging und dabei zu Boden leuchtete, fielen mir die dunklen Stellen oder Flecken auf. Ich untersuchte sie nicht genau. Aber ich wusste Bescheid. Es musste Blut sein. Zu oft hatte ich diese Flecken schon gesehen, und mir kam jetzt in den Sinn, dass man den Popen hier schon verletzt und später dann so grausam getötet hatte.
    Automatisch wich ich den Blutflecken aus und näherte mich dem Altar.
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