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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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habe ich gewartet – all die Jahre, in denen ich mit Catcher aufgewachsen bin, die vielen Male, die er mich beim Fangenspielen durch die verschlungenen Straßen der Stadt gejagt hat, die vielen Male, die er gelacht hat, wenn Cira und ich ganze Theaterstücke gedichtet und für ihn aufgeführt haben, die vielen Male, die er noch ein kleines bisschen länger geblieben ist, wenn ich in der Nähe war.
    Es ist, als ob wir uns den ganzen Sommer umkreist hätten, uns näher und immer näher gekommen wären, bis zu diesem unvermeidlichen Funken, der sich soeben entzündet hat. Als ob dies alles ist, was je hat sein sollen. Ich drücke mich an ihn.
    Ich bin so gefangen von meinem ersten Kuss, von der Aufregung, mit Catcher zusammen zu sein, dass ich das durch die Nacht dringende Stöhnen zuerst gar nicht höre, das uns jetzt auseinanderreißt.

3
    D as Stöhnen trennt unsere aneinandergepressten Körper wie ein Schnitt. Eine Stille folgt darauf, die so absolut ist, dass ich mich innerlich vollkommen leer fühle. Mein Herz gerät aus dem Takt, alle Ängste dieser Nacht kribbeln mir über die Haut.
    Catcher macht sich von mir los, und beinahe stürze ich in die Leere, die sein Körper eben noch ausgefüllt hat. Mit ausgestreckten Armen stolpert er weg vom Karussell, suchend tastet er die Nacht mit seinen Fingern ab. Ich versuche immer noch zu fokussieren, mich zurechtzufinden, da sehe ich im blassen Mondschein das Mudo-Mädchen auf uns zu rennen. Ihr Stöhnen ist weithin zu hören.
    Catcher hat schon vor mir begriffen, dass das Mudo-Mädchen ein Breaker ist. Ich habe noch nie einen gesehen, weil Infizierte nur Breaker werden, wenn bei ihrer Rückkehr nicht genügend Mudo in der Nähe sind, und in Vista wird jeder, der sich ansteckt, getötet, ehe er zurückkehren kann.
    Der Breaker biegt an einem der Karussells um die Ecke und sprintet mitten in den Vergnügungspark. Abgesehen von ihrem Stöhnen wirkt sie fast normal, nicht älter als wir. Ihr Mund steht offen, die Zähne sind gefletscht, die Hände zu Krallen verkrümmt.
    Ich reagiere zu langsam, mein Verstand stolpert über die Tatsache, dass sie rennt. Sie zögert ein wenig, gerade lange genug, um den Kopf zu drehen, erst nach links, zu Catcher und mir, und dann nach rechts zu den anderen. Die feuern noch immer lautstark die beiden Brüder an, die inzwischen beinahe am höchsten Punkt der Achterbahn angelangt sind. In der Mitte der Gruppe steht Cira, klatschend und mit erhobenen Armen.
    Sie bemerken alle nichts, aber wenn Catcher oder ich rufen würden, könnte das den Breaker zu uns locken.
    Ich halte mir den Mund mit beiden Händen zu, wage nicht, mich zu rühren, aus Angst, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Meine Finger krallen sich in die Wangen, Schreie drohen sich Luft zu machen, sie ersticken mich. Nur ein Gedanke flammt in meinem Kopf auf: Das kann doch nicht sein.
    Der Breaker hält auf die anderen zu – auf Cira, die vor der Achterbahn steht –, und dann schießt Catcher davon. Im Mondschein ist die Sicht begrenzt, Ecken und Kanten wirken weich und unscharf. Er ist ein Schatten, der sich auf einen anderen Schatten zu bewegt. Nur das Aufblitzen seiner blassen Haut und der Schimmer ihrer Zähne werden von der Dunkelheit zurückgeworfen.
    Ich springe vom Karussell und will mein Messer packen, da höre ich einen schrillen Schrei. Ich will nicht hinsehen, doch ich kann nicht anders. Der Breaker bricht in die Gruppe vor der Achterbahn ein, packt ein großes, dünnes Mädchen und zerrt es ins Mondlicht. Mellie!
    Mein Hals brennt, mir steigen Tränen in die Augen, und mein Magen krampft sich vor Angst zusammen, trotzdem sehe ich alles. Der Breaker packt Mellies Haar und schleudert sie zu Boden, schlägt die Zähne in ihren Unterarm und beginnt am Fleisch zu reißen. Blut spritzt.
    Nur das zählt. Der Biss wird Mellie infizieren. Bisse sind immer ansteckend. Und die Angesteckten wandeln sich in jedem Fall. Mellie ist so gut wie tot.
    Die anderen laufen schreiend in alle Richtungen. Das Chaos, all das menschliche Fleisch veranlasst den Breaker, Mellie fallen zu lassen. Der Drang anzustecken ist stärker, als bei einem frisch Getöteten zu verweilen. Mellies Mund bewegt sich, sie wimmert, drückt die Hand auf die Wunde. Blut quillt zwischen ihren Fingern hervor. Sie zittert und schluchzt und wiegt sich vor und zurück.
    Der Breaker stürzt sich auf sein nächstes Ziel. Und ich kann nur dastehen und zuschauen. Ich versuche, das alles zu verstehen. Versuche, die
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