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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Lyne
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zugereisten Mördern und Betrügern. Er selbst habe seine geliebte Schwester verloren, weil er einem jener Mörder vertraut habe. »Ist ein Bursche aus solchem Morast es wahrhaftig wert, dass wir uns über ihn den Kopf zerbrechen? Ob es nun sein Schlag war oder der seiner Spießgesellen, der dem heiligen Mann den Tod brachte – sollen wir für einen solchen Lumpen unsere Stadt opfern? Wir haben sie mit unserer Hände Arbeit aus dem Sand hervorgehoben, und von einem Galgenstrick wie Diether Harzer lassen wir sie uns nicht zerstören.«
    »Buh, Buh!«, brüllte Petter, doch nur wenige Stimmen schlossen sich an. Der Applaus von der anderen Seite übertönte sie. Wir haben verloren! schrie es in Magda. Wir haben alles gegeben, was wir hatten, aber wir hatten nicht genug.
    Überdeutlich hörte sie jetzt die Stimme von Propst Hubertus, die auf die Versammelten niederpeitschte: »Lieben wir diese Stadt? Ja, wir lieben sie! Ist sie uns erhaltenswert? Ja, das ist sie! Hat ein dahergelaufener Bursche, der in unser Berlin gekommen ist, um Unruhe zu stiften, das Recht auf unseren Schutz, wenn es um unsere Stadt geht? Dieser Bursche behauptet, sein Schlag gegen Propst Nikolaus sei nicht tödlich gewesen. Soll der Stern unserer Stadt im Schlamm ersticken für einen Nichtsnutz, der heilige Männer schlägt?«
    »Buh!«, rief die kleine Gretlin, aber niemand hörte sie. Petter, seines Fasses beraubt, schloss die Arme um Hans und lehnte trübsinnig das Kinn auf dessen Kopf. Der Großvater hielt sich an Magdas Arm fest. In der Laube folgte ein Redner der Geistlichkeit auf den anderen. Jeder war lauter als sein Vorgänger, drohender, wütender, jeder riss eine Hoffnung an der Wurzel aus. Magda bekam nichts zu sehen, und vermutlich war das ein Segen. Dennoch wünschte sie sich, sie hätte Diether zumindest einen Blick senden können.
    Petters Gurkenfass, das von vorn auf sie zurollte, erschien wie die Antwort auf ein stummes Gebet. Drei, vier Männer stürzten sich wilder als Bettler auf Pfennige darauf, aber Magda gelang es, unter ihnen durchzutauchen und das Fass zu umschlingen. Im Nu hatte sie sich aus dem Knäuel herausgekämpft, stellte es ab und sprang hinauf.
    Endlich sah sie Diether, der sich noch immer aufrecht hielt, jedoch bis auf die Knochen erschöpft und entmutigt wirkte. In der Abfolge der Redner war eine Pause entstanden, die Clewin Alvensleben nutzte. Er stand auf, trat vor die Bank an der Kopfseite und richtete das Wort an die Stadtschultheiße. Magda sah, wie Asperstedt die Stirn in Falten legte, sich an den Bändern der Haube zupfte und dann endlich nickte. Herr Clewin trat aus der Laube und sprach den wartenden Herold an.
    Kurz darauf ertönte dessen Signal. »Das Gericht ruft den Ehrwürdigen Vater, Guardian der Franziskaner von Berlin, Pater Martinus …«
    Getuschel und Geraschel entstand. Alle Köpfe drehten sich nach den Reihen der Mönche, doch es dauerte eine Weile, bis sich tatsächlich ein Mann aus dem grauen Block löste. Er war groß und breit genug, um sich den Weg zu bahnen, und erst, als er ihren Standort fast erreicht hatte, sah Magda, dass er einen kleineren, hinkenden Mann am Arm führte. Im Vorbeigehen wandte Thomas den Kopf und traf einen Herzschlag lang ihren Blick.
    Er stellte dem kleinen, gebrechlichen Mann einen Stuhl vor die Laube, und jener sank entkräftet darauf nieder. »Ich bin Pater Martinus, Guardian des Berliner Ordens der Minderen Brüder«, hob er ohne Umschweife an. »Wir haben uns das Wort erbeten in der Sache des Diether Harzer, beklagt des Mordes an Nikolaus Cyriacus, Propst von Bernau. Es erscheint uns wichtig, in der Sache zu sprechen, denn das, was wir an dieser Stelle entscheiden, wird uns den Weg in die Zukunft weisen. Nicht nur für Diether Harzer, sondern für jeden von uns, für unsere Kirche, unsere Stadt und unser Land. Zu meinem Bedauern bin ich kein gesunder Mann, und es bereitet mir Schmerzen, über lange Zeit die Stimme zu heben. Deshalb wird einer unserer Novizen in Vertretung für mich sprechen.«
    Thomas war kein Novize. Sein Haar war so lang, dass Magda es ihm hätte schneiden wollen, wenn es sich noch gelohnt hätte. Statt neben dem Stuhl seines Guardian stehen zu bleiben, trat er ein paar Schritte vor und in die Menge hinein.
    »Dieses Gericht ist nicht zusammengetreten, weil es Vergeltung üben will«, sagte er. »Vergeltung liegt Gott anheim. Dieses Gericht tritt zusammen, um eine unsterbliche Seele zu retten. Deshalb ist es nötig, einem Mörder das
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