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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori
Autoren: Sarah Lark
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die Einrichtung ihres Büros in Augenschein. Regale, ein Schreibtisch, eine kleine Sitzgarnitur in einer Ecke ... und eine Teeküche. Sie runzelte die Stirn.
    »Es ist sehr schön, Mr. Holland. Aber wenn Sie den Teekocher und das Geschirr vielleicht doch bitte in Ihr Büro verlagern würden? Es stört meine Konzentration, wenn Sie hier damit herumhantieren. Sie können das in der Mittagspause erledigen ... oder nein, machen Sie es gleich.«
    Der Mann musste in seine Schranken verwiesen werden. Florence dachte an Caleb, der heute Morgen sicher das Frühstück vergessen hatte. Sie lächelte. »Anschließend bringen Sie meinem Mann eine Tasse Tee und ein paar Sandwiches. Und mir holen Sie bitte zunächst die Bilanzen der letzten zwei Monate und die Kataloge unserer wichtigsten Baustofflieferanten.«
    Holland verzog sich mit indigniertem Gesichtsausdruck. Florence sah ihm nach. Auf die Dauer würde sich zeigen, ob sie mit ihm arbeiten konnte. Es wäre eigentlich schade, ihn zu entlassen. Er schien nicht dumm zu sein, und er war außerordentlich gut aussehend. Wenn er sich auch noch als diskret erwies, könnte er glatt in die engere Wahl kommen. Irgendwann würde sie sich schließlich entscheiden müssen, welcher ihrer ergebenen Mitarbeiter würdig wäre, Caleb Billers Erben zu zeugen ...
    Florence strich über ihren streng geschnittenen, dunklen Rock und ordnete den Ausschnitt ihrer adretten weißen Rüschenbluse. Einen Spiegel würde sie brauchen! Schließlich musste sie sich ihrer Weiblichkeit nicht schämen, auch wenn sich in den nächsten Jahren sicher mancher über die Leitung der Biller-Mine wunderte. Florence hatte Zeit. Sie würde ihr Büro und ihr Bergwerk nach ihrem Gutdünken gestalten.
     
    Emere durchschritt die Räume von Lionel Station. Die alte Maori ging langsam und hielt die 
pecorino
-Flöte dabei umklammert, als brauche sie eine Stütze. Lionel Station. Ihr Haus und das ihrer Kinder. Das Haus, in das John sie damals gebracht hatte – vor langer, langer Zeit, als sie noch eine Prinzessin gewesen war, eine Häuptlingstochter und Ziehkind der Zauberin. Sie hatte John Sideblossom damals geliebt – genug, um ihren Stamm zu verlassen, nachdem er ihr im Schlafhaus ihrer Familie beigelegen hatte. Emere hatte sich für seine Frau gehalten, bis er mit diesem Mädchen kam, dieser blonden 
pakeha
. Als Emere ihre Ansprüche anmeldete, hatte er sie ausgelacht. Ihre Verbindung zähle nicht und auch nicht das Kind, das sie damals unter dem Herzen trug. Sideblossom wollte weiße Erben ...
    Emere ließ die Finger über die neuen, mit Intarsien geschmückten Möbel wandern, die Zoé später in die Ehe gebracht hatte. Das zweite blonde Mädchen. Mehr als zwanzig Jahre, nachdem das erste gestorben war. Nicht ganz ohne Emeres Zutun – sie war eine geschickte Hebamme und hätte Johns erste Frau retten können. Aber damals hatte sie noch gehofft, alles könnte so werden wie früher.
    Und nun war diese Zoé die Erbin – oder würde es zumindest schaffen, Erbin zu werden. Emere verspürte gewisse Hochachtung Zoé gegenüber. Sie schien so zart und zerbrechlich, aber sie hatte alles überlebt – das, was John unter »Liebe« verstand, und selbst die Geburten, bei denen Emere ihr »beigestanden« hatte.
    Inzwischen hatte die alte Maori längst ihren Frieden mit ihr gemacht. Sollte sie die Erträge der Farm behalten! Arama würde das regeln, auf Heller und Pfennig. Emere wollte kein Geld. Aber das Haus und das Land wollte sie, und daran war Zoé nicht interessiert.
    Emere betrat den nächsten Raum und riss die Vorhänge auf. Niemand sollte hier mehr die Sonne aussperren! Sie atmete tief ein, nachdem sie die Fenster geöffnet hatte. Ihre Kinder waren frei; kein John Sideblossom mehr, der sie erst wegschicken und dann versklaven würde. Emere wartete ungeduldig darauf, dass Pai mit dem letzten Kind zurückkehrte. Sie hatte das Mädchen nach Dunedin geschickt, um ihren jüngsten Sohn aus dem Waisenhaus zu holen. Das Kind, das sie einige Monate nach dem Weggang des flammenhaarigen Mädchens geboren hatte. Das Mädchen, mit dem der Fluch sich vollendet hatte, den sie damals auf John Sideblossoms Erben gelegt hatte. Damals, als sie ein einziges Mal etwas für eines ihrer Kinder gefordert hatte. Ein bisschen Land, überschrieben an ihren Erstgeborenen. Doch Sideblossom hatte wieder nur gelacht – und an diesem Tag hatte Emere gelernt, sein Lachen zu hassen. Emere könne froh sein, hatte Sideblossom gesagt, wenn er ihre Bastarde
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