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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet
Autoren: Derek Meister
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Ungeschnittene Apfelbäume, wilde Buchsbaumhecken und längst vergessene Beete ließen den Garten finster und bedrohlich erscheinen. Durch das Rauschen der Baumwipfel meinte Zachary, den Whitelake zu hören. Er wunderte sich, dass er in Momenten, in denen vor Adrenalin jeder Nerv gespannt war, Dinge wahrnahm, die ihn sonst überhaupt nicht interessierten.
    Zachary gab Tan ein Zeichen. Langsam schlichen sie die vier Stufen zur Veranda hinauf und näherten sich der Hintertür. Von Minute zu Minute wurde es dunkler. Ein Windspiel klimperte leise zum Flüstern der Büsche und Bäume. Das Fliegengitter war halb aus dem morschen Rahmen gefallen und auch die Klinke und die Schrauben des Tür-Schlosses waren lose. Er steckte den Revolver in seinen Gürtel und befahl Tan stumm, auf Drei die Tür einzutreten.
    Der Junge nickte, steckte das Etui ein und brachte sich in Position. Zachary zählte leise: eins … zwei …
    Ein lauter Knall zerriss die Stille. Vor Schmerz schreiend, stürzte Zachary zur Seite. Sein Trommelfell!
    Jemand hatte ihm eine heiße Nadel hineingestochen. Zumindest fühlte es sich so an. Erst als er auf der Veranda aufschlug, fiel ihm auf, dass das Windspiel wild tanzte.
    Dann sah er den alten Mann in der offenen Tür stehen. In der Hand hielt er eine Pistole – nein, es war etwas anderes. Es war größer, klobiger, beinahe wie eine monströse Wasserspritzpistole, doch statt eines Laufs erkannte Zachary eine Art Parabolspiegel.
    Eine Lärmpistole, schoss es ihm durch den Kopf.
    Der Professor besaß ein NRAD, ein Near Range Acoustic Device, der neueste Schrei unter Sicherheitsfachleuten. Mit der Waffe war es möglich, gerichtete Schallwellen abzufeuern und seine Gegner durch schmerzhaft schrille Töne in die Flucht zu schlagen. Zachary hatte gelesen, dass Handelsschiffe die Technik nutzten, um Piraten abzuwehren.
    Biaggi schrie etwas, aber durch das Pfeifen in seinen Ohren konnte Zachary ihn nicht verstehen. Er wollte seine Waffe auf den Mann richten, war jedoch nicht fähig, die Hand vom Ohr zu nehmen. In Gottes Namen, flehte er in Gedanken, mach, dass es aufhört! Er drohte, das Bewusstsein zu verlieren.
    Doch dann ging alles blitzschnell. Der Alte deckte mit seiner Schallkanone nur einen schmalen Bereich der Veranda ab und er hatte Tan nicht gesehen. Mit zwei Sätzen war der Junge bei ihm und schlug ihm die Faust in die Rippen. Er hatte schon zum zweiten Schlag ausgeholt, als der Professor rückwärts gegen das Fliegengitter taumelte.
    Nachdem Biaggi die Waffe fallen gelassen hatte, wurde es sofort still um Zachary. Der Schmerz schrumpfte zu einem Pochen und verebbte dann ganz. Dennoch fühlte er sich, als hätte man ihm die Ohren abgeschnitten und mit brennendem Wachs ausgegossen. Während Zachary sich langsam aufrichtete, schlug Tan immer wieder auf den Professor ein, der am Boden lag und winselte.
    „Verdammter Opa!“, schrie Tan.
    Hilflos versuchte der Mann, den Schlägen zu entkommen, aber Tan ließ nicht locker.
    Endlich fand Zachary sein Gleichgewicht wieder. „Lass ihn los!“, brüllte er durch die Tür ins Wohnzimmer. Doch sein Partner hörte ihn nicht oder wollte nicht hören. Unablässig hieb er auf den Professor ein, der mittlerweile zwischen alten Sesseln auf den Teppich des Wohnzimmers gesunken war. Der Mann wimmerte.
    „Hör auf, Tan, lass ihn! Es reicht“, zischte Zachary und riss die verfluchte Fliegengittertür beinahe aus den Angeln.

5
    In den frühen Morgenstunden sahen das Kettenkarussell, die kleine Achterbahn und die Krake mit ihren Gondeln wie die Überreste eines abgehalfterten Industriegeländes aus. Ian fand die Fahrgeschäfte entsetzlich langweilig, aber er hatte auch nicht vor, sich auf dem Rummel zu vergnügen. Wie so oft ging er nur zu dem breiten Pier, um sich hinter den Karussells ungestört mit Freunden zu treffen.
    Da Bpm noch nicht da war, vertrieb er sich die Zeit mit Zero. Er warf das Gummihuhn und schaute zu, wie sein Hund immer neue Wege fand, freudig bellend seine Beute zu holen. Wie immer kam Bpm zu spät. Seinen Parka lässig über die Schulter geworfen, schlenderte er in seinen schweren Doc Martens an einer Traube japanischer Touristinnen vorbei. Natürlich konnte er nicht umhin, seine große Pilotenbrille auf Hab-Acht-Stellung zu schieben und den Grazien ein übertrieben charmantes Lächeln zu schenken. Er erntete verlegenes Gekicher.
    Ian musste schmunzeln. So lange er Bpm kannte, war er der Klassenclown gewesen, der es mit seinen Sprüchen und
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