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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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Sarah darauf bestand: «Jetzt geh rauf und zieh dich endlich um, wir wollen los. Du musst mal raus, Karen, dich ein bisschen amüsieren. Man kann mehr vom Leben haben als gute Noten und kleine Kinder.»
    Doch dann freundete sie sich mit einer jungen Frau an, die an der Theke bediente. Sie hieß Li, war Anfang zwanzig und angeblich Chinesin, obwohl sie eher aussah, als stamme einer ihrer Vorfahren aus Afrika. Li sagte von sich: «Ich bin international.» Und hübsch war sie, eine Schönheit.
    Norbert hatte im Sommer 1988 eine kurze Affäre mit ihr gehabt, nur drei Wochen, zu der Zeit, als Karen mit Jasmin schwanger gewesen war. Er sah es nicht gerne, wenn sie sich mit Li unterhielt, bezeichnete sie als einen lockeren Vogel. Manchmal nannte er sie auch einen Zugvogel, weil sie immer nur den Sommer über in Köln war, in dem Jahr zum dritten Mal. Aber vielleicht befürchtete er auch nur, Li könne schlecht über ihn reden. Doch das tat sie nicht, im Gegenteil, sie betonte immer, Norbert sei auf seine Art ein lieber Kerl, nur nicht der Richtige für sie gewesen. Sarah passe viel besser zu ihm.
    Für sie war Li die erste richtige Freundin. In der Schule hatte sie keine. Man ist nicht sehr beliebt bei Mitschülerinnen, wenn man stets nur die besten Noten hat, sich nicht dafür anstrengen muss und nachmittags keine Nachhilfe geben darf. Li waren ihre Noten egal. Leider sahen sie sich nur jeden zweiten Samstag für wenige Stunden in der Diskothek.
    Ein paar Mal bettelte sie, Li einmal alleine und anderswo treffen zu dürfen. Da Christa jedes Mal nein sagte, schwänzte sie schließlich einmal die Schule, fuhr morgens mit dem Zug nach Köln, war mittags wieder zurück – mit durchgeweichten Schuhen, weil es in Strömen geregnet hatte. Christa sah sofort, dass sie an dem Vormittag nicht in der Schule gesessen haben konnte, und hielt ihr einen endlosen Vortrag.
    Und dann setzte Norbert ihr diesen Floh ins Ohr, Führerschein und eigenes Auto. Er bastelte in der Werkstatt schon an einem Kleinwagen. Ein Unfallfahrzeug wie sein Ford Taunus, eigentlich ein Fall für die Schrottpresse. Er meinte, das bekäme er hin, hätte es ja schon einmal geschafft, versprach auch, für den Unterhalt des Wagens aufzukommen.
    Von ihrem Patenonkel hatte sie im Mai fünfhundert Mark zum Geburtstag bekommen. Das reichte für die Anmeldung in einer Fahrschule, die Grundgebühr und die Kosten der theoretischen Prüfung. Karlheinz legte die ersten fünf Fahrstunden drauf, weil auch er fand, mehr als zwei Jahre nach einem Fehltritt sei es höchste Zeit, die Fesseln etwas zu lockern.
    Weil es mit fünf Fahrstunden nicht zu schaffen war und ihr Taschengeld nicht reichte, um allzu viele weitere zu finanzieren, übte Norbert jeden Abend mit ihr auf einem leeren Parkplatz in dem kleinen Industriegebiet am Ortsrand. Über den zweiten Gang kam sie dabei nicht hinaus. Aber sie lernte doch so leicht, musste ein Buch nur in die Hand nehmen, dann konnte sie den Inhalt schon auswendig aufsagen. Dass zwischen Theorie und Praxis ein Unterschied war, bedachte sie kaum.
    Es passierte an einem Freitag, kurz nach Jasmins zweitem Geburtstag. Norbert war ein paar Tage zuvor in den Schwarzwald aufgebrochen. Seine Fahrten nach Ottenhöfen jedes zweite Jahr wollte er nicht aufgeben, hatte sich mit Sarah rasch auf einen Kompromiss geeinigt. Sie hatte eine andere Vorstellung von Urlaub als er. Sie wollte etwas erleben, brauchte Trubel um sich herum. Und er, von frühster Jugend an in Verantwortung gezwungen, brauchte mal ein paar Tage für sich allein, keinen Menschen in seiner Nähe, der von ihm erwartete, dass er alles regelte. Sarah verstand das und hatte vorgeschlagen, dass sie in einem Jahr getrennt und im nächsten zusammen Urlaub machen sollten. So war Sarah auch nicht an den September gebunden, hatte sich schon im Juni zwei Wochen auf Mallorca gegönnt.
    Als sie aus der Schule kam, war niemand im Haus. Christa machte mit Jasmin Besorgungen fürs Wochenende und einen Besuch im Ort, hatte ihr einen Zettel hingelegt, im Keller stünde ein Korb mit Bügelwäsche, um den sie sich kümmern solle. Aber daran dachte sie nicht im Traum.
    Als Norbert unerwartet zurückkam – er hatte seinen Urlaub wegen Zahnschmerzen unterbrochen, wollte zum Arzt –, erwischte er sie in Christas Schlafzimmer. Sie suchte den Zweitschlüssel für den weinroten Benz 280 SL, der auf dem Hof stand und ursprünglich Karlheinz gehört hatte. Nach der Scheidung hatte ihr Vater das Auto nicht mitnehmen
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