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Das leere Grab

Titel: Das leere Grab
Autoren: André Marx
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gerade häufig. Doch als sie sagten, sie kämen aus Kalifornien, hakte ich nach und sie sprachen von einer kleinen Stadt in der Nähe vonLos Angeles, in der sie früher gelebt hatten. Ab da gab es für mich keinenZweifel: Sie mussten Verwandte von dir sein, und ich fragte sie, ob sie einen Justus Jonas kennen. Ihre Reaktion war sehr merkwürdig: Sie murmelten etwas davon, dass sie keine Verwandten hätten. Kurze Zeit später standen sie einfach auf und gingen. Seitdem mieden sie mich. Ich habe sie noch ein paarmal beobachtet. Sie waren ziemlich nervös. Als ich abreiste, schienen sie erleichtert zu sein. Während der letzten Tage habe ich noch versucht, mehr über sie herauszufinden, bin jedoch nicht weit gekommen. Ich habe nicht einmal ihren jetzigen Wohnort in Erfahrung bringen können. Meine Zeit als Privatdetektiv liegt schon etwas zurück, ich bin wohl aus der Übung gekommen.« Er lächelte ein wenig. »Doch wenigstens sind mir ihre Vornamen bekannt: Sie heißen Julius und Catherine Jonas.«
    Justus’ Magen zog sich zusammen. Plötzlich hatte er das Gefühl, schwerelos im Raum zu schweben. Verzweifelt versuchte er Kontakt zu seiner Zunge aufzunehmen, um etwas zu sagen: »Könnte … könnte ich vielleicht doch etwas zu trinken haben?«
    »Selbstverständlich. Cola?«
    »Einen Whisky.« Justus hatte noch nie Whisky getrunken und wusste auch nicht, wie er schmeckte. Er hatte nicht einmal eine Ahnung, warum er das gesagt hatte.
    Mr Hitfield starrte ihn verblüfft an. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist«, sagte er.
    »Ich glaube schon«, antwortete Justus mechanisch.
    Albert Hitfield stand auf und ging zur Hausbar in einer Ecke des Raumes. Wenig später kam er mit einem Glas hellbrauner Flüssigkeit zurück. Justus trank einen Schluck – und bekam keine Luft mehr. Der Whisky brannte in seinem Hals wie Feuer und Justus hustete. Für einen Moment raubte es ihm den Atem. Tränen schossen ihm in die Augen, doch dann breitete sich eine wohlige Wärme in seinem Bauch aus.
    »Geht’s wieder?« Mr Hitfield sah ihn besorgt an.
    Justus schüttelte sich. »Ja. Ja, ich glaube schon. Widerliches Zeug. Aber jetzt spüre ich meinen Körper wenigstens wieder. Mr Hitfield, das alles muss ein verrückter Zufall sein.Meine Eltern sind seit über zehn Jahren tot.«
    »Wie sind sie gestorben?«
    »Bei einem Flugzeugabsturz.«
    »Wo war das?«
    Justus schluckte. »Über dem Meer. Vor … vor der Nordküste Südamerikas.«
    »Über dem Meer«, wiederholte Albert Hitfield. »Ist das Wrack je geborgen worden?«
    Justus räusperte sich. Sein Mund war trocken wie eine Wüste. »Nur zum Teil.«
    »Und die Insassen?«
    Der Erste Detektiv zögerte. »Sie haben nur wenige Ertrunkene gefunden. Meine Eltern galten als vermisst. Bis sie schließlich … für tot erklärt wurden.« Plötzlich wurde er wütend. »Und das mit gutem Grund. Sie sind tot!«
    »Justus, ich sage doch gar nicht, dass sie es nicht sind. Ich dachte nur, dass ich dir meine Entdeckungen mitteilen sollte.«
    »Entschuldigung, Mr Hitfield. Sie haben ja recht. Das alles ist nur so … überraschend für mich.«
    Sie schwiegen eine Weile. Dann griff Hitfield nach einer Papiertüte, die auf dem Tisch lag. »Ich habe hier noch etwas: Fotos, die ich von Mrs Jonas gemacht habe. Eigentlich hatte ich noch viel mehr Bilder, auf denen auch ihr Mann zu sehen war, doch der Film ist mir auf meiner Reise leider ins Wasser gefallen. Vielleicht hilft dir das weiter.« Er reichte ihm die Bilder.
    Justus’ Hand zitterte, als er sie entgegennahm. Auf den Bildern war eine Frau Anfang vierzig zu sehen. Sie hatte schulterlanges, gewelltes schwarzes Haar und eine spitze Nase. Justus betrachtete alle Fotos genau. Dann sagte er: »Ich kann mich an meine Eltern kaum noch erinnern. Ich kenne nur die Bilder, die mein Onkel hat. Und die sind schon über zehn Jahre alt. Meine Mutter…« Er stockte und betrachtete erneut die Aufnahmen. »Es … besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Sie könnte meine Mutter sein.«
Das leere Grab
    »Es ist sieben Uhr. Hier ist Sam Jones mit den Morgennachrichten. Los Angeles: Die Brandkatastrophe am…« Justus schaltete den Radiowecker aus. Schon sieben? Er war erst vor wenigen Stunden eingeschlafen, nachdem er sich unruhig die halbe Nacht hin und her gewälzt hatte. Am liebsten wäre er einfach liegen geblieben. Doch früher oder später würde Tante Mathilda ihn wecken. Um neugierigen Fragen auszuweichen, stand Justus freiwillig auf. Er ging ins Bad und
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