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Das leere Grab

Titel: Das leere Grab
Autoren: André Marx
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hätte an Land schwimmen können.Und selbst wenn das meinem Bruder und meiner Schwägerin gelungen wäre, hätten sie sich kaum klammheimlich aus dem Staub gemacht.«
    »Justus hat vermutet, dass sie vielleicht irgendwo festgehalten wurden«, sagte Lys.
    »Dann hätten sie sich später gemeldet«, stellte Bob fest. »Oder sie wären jetzt nicht in Venezuela.«
    Lys nickte. »Er hat noch eine andere Möglichkeit in Betracht gezogen. Justus meinte, dass…«, sie warf einen unsicheren Blick zu Mr Jonas, »dass seine Eltern aus irgendeinem Grund absichtlich verschwunden sind.«
    Mathilda Jonas fuhr auf: »Das kommt von eurer ewigen Detektivspielerei! Dieses ständige Misstrauen! Vermutlich glaubt Justus, dass seinen Eltern die Familienpflichten zu viel wurden und sie einfach ausgewandert sind. Das ist doch absurd! Könnt ihr euch nicht einmal mit etwas Normalem beschäftigen? Wenn ihr nicht ständig auf Verbrecherjagd wärt, wäre mein Junge vielleicht noch hier.« Sie fuhr sich nervös durch die Haare und setzte ihre Wanderung durch den Raum fort.
    »Mathilda«, beruhigte Titus Jonas sie. »Die Jungen können doch nichts dafür.« Er wandte sich an seine Gäste: »Justus hat seine Eltern kaum gekannt. Deshalb geht seine Fantasie mit ihm durch. Aber ich kenne meinen Bruder. Er hätte seine Familie nie im Stich gelassen. Er ist tot, ganz einfach.«
    »Am meisten regt mich auf«, rief Tante Mathilda, »dass der Junge nichts gesagt hat! Er hätte doch mit uns reden können!«
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Mrs Jonas«, wandte Lys ein. »Es lag bestimmt nicht an mangelndem Vertrauen zu Ihnen. Justus wollte Ihnen einfach Ärger ersparen.«
    »Ich glaube, du hast mich missverstanden, Lys. Ich mache nicht mir Vorwürfe, sondern ihm! Nicht weil er die Schule schwänzt und einfach so abhaut. Das ärgert mich zwar auch, aber Justus ist sehr selbstständig: Er weiß, was er tut. Ich bin sicher, dass er gründlich über alles nachgedacht hat und sich über die Konsequenzen im Klaren ist. Nein, Vorwürfe mache ich ihm deshalb, weil er euch die Aufgabe unterjubelt, uns alles zu erzählen. Das enttäuscht mich am meisten. Ich hätte nicht gedacht, dass er so feige ist.«
    Lys warf einen kurzen Blick zu Peter und Bob. Die sahen sich ebenfalls ratlos an. Mit so einem Ausbruch hatten sie nicht gerechnet.
    Das Telefon klingelte und rettete sie vor einer Antwort. Tante Mathilda rannte in den Flur. Die anderen lauschten gespannt. »Ja? Justus? Justus! Gott sei Dank! Wo bist du? Und warum – Ja – Ja – Und wann kommst du zurück? – Wie willst du denn da hinkommen? – Hast du genug Geld? – Ja – Ja, sie sind alle hier. – Mach ich. – Pass auf dich auf! – Justus?« Sie kam zurück ins Wohnzimmer. »Das war Justus. Er ist jetzt in Caracas und es geht ihm gut.« Tante Mathilda atmete auf. Bob und Peter wurde klar, dass ihre Wut von vorhin nur ihre Sorgen überspielen sollte. Jetzt bröckelte die Fassade.
    »Was hat er noch gesagt?«, fragte Lys aufgeregt.
    »Dass er heute Abend noch weiterfliegt nach… Wie hieß der Ort? Kanama oder so.«
    »Canaima?« Bob blätterte bereits in einem Atlas.
    »Ja, richtig. Dort will er übernachten und morgen weiter Richtung Süden reisen. Er sagte, dass er vermutlich nicht mehr anrufen wird. Das Telefonieren von Venezuela aus sei eine Katastrophe und er habe über eine halbe Stunde gebraucht, bis die Leitung endlich stand. Ansonsten geht es ihm gut und er lässt euch alle grüßen.«
    »Wenigstens etwas«, bemerkte Peter. »Hoffentlich kommt er ohne uns überhaupt zurecht.«
     
    Es regnete. Die dichte Wolkendecke versperrte den Blick auf das unten liegende Land. Das eintönige Grau wirkte einschläfernd auf Justus. Kein Wunder, es war ein anstrengender Tag gewesen. Es kam ihm vor, als läge der Besuch bei seinem Direktor mindestens drei Tage zurück. Danach hatte er in der Zentrale sein Reisegepäck abgeholt, das er bereits am Abend zuvor dort deponiert hatte, und hatte Albert Hitfield angerufen, um sich die genaue Adresse und eine Wegbeschreibung für sein Ziel geben zu lassen. Mit Morton war er nach einem Abstecher zur Bank, wo er sein Geld abgeholt hatte, zum Flughafen nach Los Angeles gefahren. Das war die einzige Schwachstelle in Justus’ Plan gewesen: Er hatte keine Reservierung gehabt. Doch zum Glück war jemand kurzfristig abgesprungen und er hatte dessen Platz bekommen. Am Flughafen versorgte Justus sich noch schnell mit einem Reiseführer, bevor um 13.30 Uhr sein Flugzeug
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