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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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außerhalb seiner Selbstkontrolle, mit dem Lieben beginnen und, ebenfalls ohne sein Zutun, wieder damit aufhören kann. Wie sehr es ihn verstört, nicht selbst zu entscheiden, wen er liebt, von wem er geliebt wird, wo es anfängt und endet und all das entsetzlich Unberechenbare in der Mitte.
    Liebe, die gefürchtete Diktatorin der Männer. Kein Wunder, dass der Mann als solcher dieser Tyrannin mit Flucht begegnete. Millionen von Frauen lasen das Buch, um zu verstehen, warum Männer grausam zu ihnen waren. Warum sie Schlösser austauschten, per SMS Schluss machten, mit der besten Freundin schliefen. Alles nur, um der Diktatorin eine lange Nase zu drehen: Siehst du, mich kriegst du nicht klein, nee, mich nicht.
    Aber ob das die Frauen wirklich tröstete?
    Die Nacht war in neunundzwanzig Sprachen übersetzt worden. Sogar nach Belgien verkauft, wie Concierge Rosalette zu vermelden gewusst hatte, und was die Belgier anging, nun ja, da hatte man als waschechter Franzose schließlich seine gesunden Vorurteile.
    Vor sieben Wochen war Max Jordan in das Haus No. 27 in der Rue Montagnard gezogen. Gegenüber von den Goldenbergs in den Dritten. Noch hatte keiner seiner Fans, die ihn verfolgten mit Herzbriefchen, Anrufen und Lebensbeichten, Jordan aufgespürt. Sie tauschten sich sogar im Internet in einem Die Nacht -Wiki-Forum aus. Über seine Ex-Freundinnen (nicht bekannt, große Frage: Jordan noch Jungfrau?), exzentrischen Hobbys (Ohrenschützer tragen) und die möglichen Wohnadressen (Paris, Antibes, London).
    Schon oft waren Nacht -Süchtige auf der Literarischen Apotheke gewesen. Sie hatten Ohrenschützer getragen und Monsieur Perdu bekniet, eine Lesung mit ihrem Idol zu veranstalten. Als Perdu das seinem neuen Nachbarn vorschlug, war der Einundzwanzigjährige wachsblass geworden. Lampenfieber, schätzte Perdu.
    Jordan war für ihn ein junger Mann auf der Flucht. Ein Kind, ungefragt zum Literaten hochgeschrieben. Und sicher für viele auch ein Verräter der männlichen Gefühlsschlachten. Es gab sogar Hassforen im Web, in denen die anonymen Schreiber Jordans Roman auseinandernahmen, sich darüber lustig machten und dem Autor dasselbe nahelegten, was sein verzweifelter Protagonist in dem Roman tut, nachdem ihm klargeworden ist, dass er Liebe nie kontrollieren kann: Er stürzt sich von einem korsischen Felsen ins Meer.
    Das Faszinierende an Die Nacht war für den Autor auch das Gefährliche: Er erzählte von männlichen Innenwelten, ehrlich wie nie ein Mann zuvor. Er zertrat alle Ideale und gewohnten Männerbilder der Literatur. Die vom »ganzen Kerl«, die vom »emotionsarmen Mann«, die vom »tüddeligen Alten« oder dem »einsamen Wolf«. »Männer sind auch nur Menschen« hatte eine feministische Zeitschrift entsprechend abgeklärt über Jordans Debüt getitelt.
    Perdu imponierte, was Jordan gewagt hatte. Andererseits kam ihm der Roman vor wie eine Gazpacho, die beständig über den Suppenrand schwappte. Und sein Schöpfer war ebenso gefühlsflüssig und bar jedes Panzers, er war das Positivbild zu Perdus Negativ.
    Perdu fragte sich, wie sich das wohl anfühlte, so intensiv zu empfinden und trotzdem zu überleben.

4
    P erdu versorgte als Nächstes einen Engländer, der ihn fragte: »Ich habe hier neulich ein Buch mit grün-weißem Umschlag gesehen. Ist das schon übersetzt?« Perdu fand heraus, dass es sich um einen bereits siebzehn Jahre alten Klassiker handelte, den er ihm dann nicht verkaufte, sondern stattdessen einen Gedichtband. Anschließend half Perdu dem Paketboten, die Bücherwannen mit seinen Bestellungen von der Sackkarre auf das Schiff zu tragen, und dann noch der stets etwas gehetzten Lehrerin von der Grundschule auf dem anderen Seine-Ufer, ein paar aktuelle Kinderbücher zusammenzustellen.
    Einem kleinen Mädchen schneuzte Perdu die Nase, die es in Der goldene Kompass gesteckt hatte. Ihrer überarbeiteten Mutter schrieb er eine Umsatzsteuererstattungsbescheinigung für das dreißigbändige Lexikon, das sie ihm auf Raten abkaufte.
    Sie deutete auf ihre Tochter. »Dieses komische Kind will das Lexikon vollständig gelesen haben, bis es einundzwanzig ist. Gut, habe ich gesagt, sie bekommt die Enzypläd… Enzkopie … na ja, dieses Nachschlagewerk. Aber dann keine Geburtstagsgeschenke mehr. Und nichts zu Weihnachten.«
    Perdu sah zu dem siebenjährigen Mädchen und nickte ihm zu. Die Kleine nickte ernst zurück.
    »Finden Sie das normal?«, fragte die Mutter besorgt. »In diesem Alter?«
    »Ich finde es mutig,
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