Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen

Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen

Titel: Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
Autoren: Katia Fox
Vom Netzwerk:
bemerke er es nicht. Todmüde wankte sie abends aus der Schmiede, mit einem tiefen Gefühl von Mutlosigkeit und Verzweiflung und der ständigen Angst, den nächsten Tag nicht zu überstehen. Oft war ihr so schlecht vor Erschöpfung, dass sie nicht einen Bissen hinunterbrachte, auf ihren Strohsack kroch und weinend in einen schwarzen, traumlosen Schlaf sank.

    Als der Oktober kam und mit heftigem Wind die bunten Blätter von den Bäumen fegte, brachte Bertha einen Sohn zur Welt. Ellen fand ihn viel zu mager und hässlich. Aber Bertha und Curt waren selig, noch einen zweiten Jungen bekommen zu haben. »Söhne sind der Reichtum des einfachen Mannes«, sagte Curt gern. Ellen gab ihm Recht und beneidete das Kind um seine glückliche Geburt. Sie selbst war und blieb ein Mädchen.Ihre Stimme würde niemals tiefer werden, und ihr würde nie ein Barthaar im Gesicht sprießen, also achtete sie besonders darauf, keinen Argwohn durch mädchenhaftes Benehmen zu erregen. Sie nutzte jeden Augenblick, den sie mit den Zimmerleuten verbrachte, um sich die Gesten und Ausdrücke der Männer zu Eigen zu machen. Und bis zu jenem Sonntag im November, als der Schwindel beinahe aufgeflogen wäre, machte es ihr manchmal sogar Spaß, die anderen an der Nase herumzuführen.
    Thomas, der Sohn des Baumeisters, und seine Freunde hatten im Herbstlaub dicke braune Spinnen gefunden, die sie als Beweis für ihre Tapferkeit auf ihren Armen und sogar über ihre Gesichter laufen ließen. Sie genossen es, wenn die Mädchen, fasziniert von ihrem Mut, immer wieder zu ihnen hinsahen, nur um sich umgehend mit spitzen Schreien wieder abzuwenden, weil sie die haarigen Tiere so widerlich fanden.
    »Hier hast du auch eine«, sagte Thomas gönnerhaft und setzte Ellen eines von den achtbeinigen Ungeheuern auf die Hand.
    Angeekelt schleuderte sie die Spinne fort. Als die Jungen sich vor Lachen bogen und bereits begannen, sich lustig zu machen, wurde Ellen klar, dass sie sich schnell etwas einfallen lassen musste. Sie zog die Nase hoch und spuckte den Schleim so geräuschvoll und gezielt wie möglich aus. Sie hatte das lange geübt und war inzwischen treffsicher genug, um ihn platschend auf der Spinne landen zu lassen. »Getroffen!« Mit strahlender Siegermiene stieß sie die rechte Faust in die Luft und ließ sich gebührend für ihre Zielgenauigkeit bewundern. »Verdammte Missgeburt!«, setzte sie noch verachtend hinzu, weil Flüche zum Männergebaren dazugehörten. Nachdem sie gerade noch einmal glimpflich davongekommen war, achtete sie nun sorgfältig darauf, sich wie ein Junge zu benehmen: Sie fluchte häufig, aß mit offenem Mund und rülpste beim Biertrinken besonders laut. Sie lief breitbeinig herum und fasste sich häufig in den Schritt, so wie Männer es eben taten. Nur wenn die Jungen pinkeln gingen und dabei Wettkämpfe veranstalteten, zog sie sich zurück,obwohl sie allzu gern mitgemacht hätte. Warum hatte der Herr sie nicht als Junge auf die Welt kommen lassen?

    Nach dem sehr nassen, stürmischen Herbst setzte schon früh ein eisiger Winter ein, der die Bauarbeiten größtenteils zum Erliegen brachte. Die Schmiede jedoch arbeiteten nach wie vor im Freien weiter, weil die Baukosten schon jetzt die anfänglichen Berechnungen um ein Vielfaches überschritten hatten und die versprochenen Werkstätten aus Stein deshalb nicht gebaut worden waren. Um nicht zu erfrieren, hatten sie die Seiten ihres Unterstandes, so gut es ging, mit Holzplanken verschlossen, aber es zog noch immer durch die offene Vorderseite. Damit das Holz durch den Funkenflug nicht Feuer fing, besprengte Ellen die Wände täglich mit Wasser, das bei der Kälte zu schönen Blumenmustern gefror und ihre Hände rot und rissig machte. Während der Arbeit zitterte sie vor Kälte, und selbst Llewyn, dem das Wetter weniger auszumachen schien, stampfte unaufhörlich mit den Füßen auf. Die Esse wärmte nur Bauch und Gesicht desjenigen, der genau vor ihr stand. Die Füße aber blieben kalt und wurden bald so taub, dass man seine Zehen kaum noch spürte. Blieb man nicht ständig in Bewegung, lief man Gefahr, dass einem die Zehen erfroren. Nur wenn die Kälte allzu beißend wurde, hörten sie auf zu schmieden, löschten das Feuer und gingen in den »Roten Bock«, das einzige Wirtshaus in Framlingham, das trinkbares Bier und ordentliches Essen zu vernünftigen Preisen anbot. Während sie sich dort manchmal den ganzen Nachmittag schweigend gegenübersaßen, dachte Ellen immer häufiger an zu Hause.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher