Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
Pferd auf Willenberg zu.
    »Wohin geht es, Vater?«
    »Wirst schon sehen.«
    Der Vater blieb auch während der Fahrt schweigsam.
    Schließlich hielt er Lotter an. Mitten im Wald.
    »Dort steht ja die Baracke von Brennschere«, rief Konrad.
    »Die gehört jetzt uns, Junge. Ich habe sie gekauft.«
    Er steckte den Schlüssel ins Schloss. Er drehte sich leicht. Das Schloss war geölt. Dann luden sie ab und deckten die Würste, den Schinken, die Fleischbüchsen und die Fetttöpfe mit den mitgebrachten Tüchern zu.
    »Wenn die Russen kommen?«, begann der Junge zu begreifen.
    Der Vater nickte.
    Auf dem Rückweg wurde er gesprächiger.
    »Konrad«, begann er. »Bist ein verständiger Kerl. Ich will dir etwas anvertrauen. Der liebe Gott will dir einen Bruder oder eine Schwester schenken.« Er schwieg eine Weile.
    »Das ist es also«, fuhr es Konrad durch den Sinn und er dachte daran, wie blass und müde Mutter geworden war.
    »Das ist eine schwere Zeit für deine Mutter, Jungchen. Seid lieb zu ihr, ihr Kinder. Und betet, dass die Flucht …« Er brach ab.
    »Ja, Vater«, versprach Konrad und drückte ihm fest die Hand.

9
    Am Nachmittag zogen Wolken auf und der Wind jagte kleine, harte Schneeflocken vor sich her. Früh brach die Dunkelheit herein. Die Eltern trugen Großvater herüber. Er sollte über die Weihnachtstage im neuen Haus bleiben. Hartnäckig hatte er sich geweigert in Mutters Bett zu schlafen. »Auf der Bank schlaf ich, oder ich komme gar nicht«, beharrte er.
    So wurde ihm auf der breiten Bank am Kachelofen aus Decken und Kissen ein Lager bereitet. Da lag er meist mit geschlossenen Augen. Der kleine Franz spielte mit seinen Händen und drehte Großvaters Trauring. Vor wenigen Wochen noch hatte er stramm und fest den Finger umschlossen. Jetzt saß er locker und nur der dicke Knöchel hinderte den Goldreif herabzufallen.
    Die Standuhr im Flur schlug, als die Kinder »Gute Nacht« sagten. Konrad und Hedwig durften mit in die Mette. Unruhig wälzten sie sich im Schlaf und schlugen die Augen gleich auf, als die Mutter sie weckte. Sie schlüpften in die Kleider. Für Konrad lag der Kommunionanzug bereit. Der war aus gutem Tuch. Sein Patenonkel Paul hatte in Friedenszeiten den Stoff gekauft und für ihn aufbewahrt. Mutter band den Kindern den Schal doppelt um den Hals und zog ihnen die Pudelmütze tief in die Stirn. Vermummt traten sie aus dem Haus. Der Sturm peitschte ihnen Schnee und Kälte in die Gesichter.
    Konrad zog die Schultern hoch und kuschelte sich in seinen Mantel. Er schlug den Kragen so hoch, dass nur für seine Augen ein Spalt frei blieb. Hedwig schlang sich das braune Tuch von Großmutter um Kopf und Brust, und auch Vater und Mutter waren gänzlich eingemummt.
    Die Bäume an der rechten Wegseite hatten zur Straße hin ein dickes Schneepolster. Waagrecht fegten weiße Schleier über Felder und Straßen. Der Sturm warf sich gegen die Bäume, heulte auf, hoch und laut. Die Birkenzweige bogen sich unter seiner Wucht, peitschten jedoch zurück, wenn er glaubte sie gebrochen zu haben. Und dann schrie das Wetter lauter und wütender. Vater hielt sich in der Mitte der Straße. Mutter ging an seiner Seite und duckte sich hinter seine Schulter. Vater hielt sie umfasst.
    »Vater sieht aus wie ein Baum«, schrie Konrad in den Sturm. Seine Worte wurden ihm vom Mund weggerissen.
    Für einen Augenblick schwieg der Aufruhr. Da hörten sie Stampfen und Klingen von vielen feinen Silberglöckchen hinter sich.
    »Brennscheres Gespann!«, rief Konrad. Sie traten an den Wegrand zurück. Die leichten braunen Pferde rasten vorbei mit Geschelle und Gerassel.
    »Janosch auf dem Bock sieht aus wie ein Schneemann«, rief Konrad der Schwester ins Ohr.
    Olbrischts Frau saß mit der Tochter und den beiden Jungen allein im Schlitten. Sie gab Janosch ein Zeichen. Der Kutscher stemmte sich in die Zügel und brachte die aufgeregten Pferde dazu, auf der Stelle zu tänzeln. Sie warfen die kurzen kräftigen Hälse hoch und reckten die Nüstern in die Luft. Frau Olbrischt beugte sich heraus und winkte den Bienmanns zu. Der Sturm heulte von neuem heran. Frau Olbrischt öffnete den Schlag. Janosch rückte zur Seite und schlug das Knieleder zurück. Der weiße Schafpelz schimmerte auf. Konrad kletterte neben ihn.
    Janosch gab die Zügel frei. Die Braunen schossen los, blitzende Hufe, klingende Schellen. Bei der Kreuzung, wo die Straße tiefer lag und völlig zugeschneit war, lenkte Janosch den Schlitten auf das platte Feld. Die Pferde griffen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher