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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe
Autoren: Willi Faehrmann
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gewesen und hatte einen Schlüssel mitgebracht.
    Er öffnete die Tür zur Vorratskammer, schaute auf die Fetttöpfe, zählte die Honiggläser und roch an den Schinken.
    »Was hast du die letzten Tage zu schnüffeln, Johannes?«, fragte die Mutter und tat, als ob es sie ärgerte.
    »Ich brauche deinen Rat, Agnes.«
    Sie setzte sich an den Tisch. Vater wühlte in seiner Lade und kam schließlich mit einer Karte vom Kreis Ortelsburg wieder. Er breitete sie aus.
    »Sieh, Agnes, hier liegt unser Dorf und hier das Kästchen ist unser Haus.« Er fuhr mit dem Finger die Straße nach Liebenberg entlang. »Von hier werden die Russen kommen.« Er zeichnete eine Linie von Osten her.
    »Meinst du?«, fragte sie unsicher. Er sah sie an und lächelte. Sie senkte die Augen.
    »Hier, westlich von uns, im Wald, hat Olbrischt seit Jahren eine feste Wellblechbaracke. Das ist der Schlüssel.«
    Er legte ihn auf den Tisch.
    »Es kann sein, dass wir schnell fliehen müssen. Hals über Kopf.« Dabei blickte er sie sorgenvoll an.
    »Das wäre schlimm«, flüsterte die Mutter.
    »Nicht gar so. Wenn wir nur rechtzeitig daran denken. Deshalb werde ich mit Konrad am Nachmittag einen Lebensmittelvorrat hinüberschaffen.«
    Mutter legte ihre Hand auf seine. »Wie gut, dass wir dich hier haben, Johannes. Ich glaube, es würde mir sonst zu schwer ohne dich.«
    Die Kinder stürmten herein. »Wir haben bis Montag schulfrei«, jubelte Albert und warf übermütig seinen Ranzen in die Ecke.
    »Grippe«, erklärte Konrad.
    »Wer? Wer hat Grippe?« Die Mutter verstand ihn nicht.
    »Nun, Lehrer Störm hat Grippe, Mutter.«
    Hedwig zog die Jacke aus und sagte: »Sein Kopf war ganz rot und glitzrige Augen hatte er.« Und in einem Atemzug fuhr sie fort: »Wir gehen nach draußen und spielen Krieg. Die anderen Kinder warten schon.« Sie liefen los. Der Vater schüttelte den Kopf. »Krieg, anderes kennen sie nicht mehr.«
    Draußen rief Hedwig: »Du bist unser Hauptmann, Konrad.« Albert und auch Kurt und Alfred Olbrischt nickten. »Ein Maschinengewehr brauchen wir und eine Panzerabwehrkanone.«
    »Wir haben einen Panzerknacker gebaut«, taten Kurt und Alfred sehr geheimnisvoll.
    Neugierig folgten Bienmanns Kinder ihnen in die Scheune. Die beiden Mädchen von Rosell gesellten sich dazu. Alfred zerrte einen Heuhaufen auseinander. Auf zwei Handkarrenrädern hatten sie ein Papprohr befestigt.
    »Von unserem Teppich«, erklärte Alfred.
    »Und wie schießt das Ding?«, fragte der Hauptmann.
    »Ganz einfach.« Alfred schob eine faustgroße Papierkugel in das Rohr. Sie war mit zwei Schnüren über Kreuz zusammengebunden. »Sand«, erklärte er. Dann zog er einen mit Gummibändern befestigten Bolzen aus dem Rohr.
    »Richtet das Geschütz!«, kommandierte er. Kurt schob die Räder herum, sodass die Mündung auf das hintere Scheunentor zeigte.
    Alfred zog an dem Bolzen.
    »Achtung, Feuer frei!«, kommandierte Konrad.
    Hedwig hielt sich die Ohren zu. Die Kugel flog aus dem Rohr, beschrieb einen flachen Bogen und klatschte gegen das Scheunentor. Dort zerplatzte die Hülle, und der Sand spritzte heraus.
    »Wunderbar«, lobte Konrad. »Damit gewinnen wir die Schlacht. Aber haben wir genug Munition?«
    Kurt zog einen Sack von einem kleinen vierrädrigen Handwagen.
    »Dreißig Schuss«, prahlte er.
    Die Mädchen zogen Wagen und Lafette. Die Jungen spähten nach dem Gegner. Da kam Kurt gelaufen. »Melde gehorsamst, hinter Nowaks Stall erste Feindberührung.«
    »Danke«, rief der Hauptmann.
    Die Kanone ging in Stellung. Der Hauptmann selber zog mit Alfred den Bolzen heraus. Da bog der feindliche Panzerwagen um die Ecke.
    »Feuer frei!«
    Zischend flog der Sandball und traf den Turm des gegnerischen Wagens. Der, auf solche Ladung nicht gefasst, schlug um und zeigte seinen Motor, braune Jungenbeine. Mit »Hurra«, wehender Fahne und fliegenden Zöpfen stürzte sich Konrads Kompanie auf den Feind. In den Händen trugen sie die Kanonenkugeln. Die Warczaks, Lenskis und Rübsams wurden überrumpelt und geschlagen. Der Panzer war die Beute. Am Straßenrand stand Szakawski mit dem Postsack.
    »Was der Krieg aus den Kindern macht«, murrte er. »Nichts als Krieg, selbst in den Kinderspielen. Was das noch werden soll?«
    Er warf den Postsack auf den Rücken, stieg auf sein gelbes Rad und fuhr davon.
    Am Nachmittag befahl Vater, Lotter vor den Kastenwagen zu spannen. Der stand beladen und mit Tüchern überdeckt in der Remise. Konrad wunderte sich. Vater nahm die Zügel und lenkte das
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