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Das Ist Mein Blut

Titel: Das Ist Mein Blut
Autoren: Sigrun Arenz
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nicht am Werk gewesen, wir haben halt gedacht, das Übliche, kleiner Einbruch und so. Ob wir jetzt noch was finden …« Er zuckte die Schultern.
    Sie aßen schweigend, als die Nudeln kamen; beide waren ziemlich erledigt und mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Anschließend fuhren sie zusammen nach Weißenburg zurück, wo sich in der Zwischenzeit nicht allzu viel getan hatte, hielten fest, worum sie sich am nächsten Vormittag kümmern wollten und vervollständigten ihre Notizen des Tages. Über all dem wurde es fast sieben Uhr, ehe Eva nach Hause aufbrechen konnte. Rainer saß noch über den Computer in seinem Büro gebeugt, als sie ging. Er hatte sich bei eBay bislang erfolglos nach Angeboten für Abendmahlskelche umgesehen – nicht, dass er sich von der Anfrage viel erhofft hatte, aber man konnte ja nie wissen. »Bis morgen«, erwiderte er Evas Gruß mit einem etwas abwesenden Nicken.

6
    »Papa, gibt es einen Reim auf Silber?«
    Pfarrer Römer blickte von dem Foto, das er neben den noch unausgepackten Einkäufen auf den Esszimmertisch gelegt hatte, auf seine Tochter, die mit ernsthaftem Gesicht über ein Schulheft gebeugt dasaß.
    »Ja, ich weiß nicht«, sinnierte er. »Vielleicht: ›Ich werde gelb und immer gilber‹«.
    »Aha«, machte Katharina. Sie schien nicht restlos überzeugt. »Und auf Wolken?«
    »Gemolken«, erwiderte er diesmal prompt. »Was ist, machst du ein Gedicht?«
    Katharina notierte sich in ihrer winzigen Handschrift »gemolken« in ihr Heft, ehe sie ihren Vater ansah. »Unsere Lehrerin hat gesagt, es gibt keinen Reim auf Wolken und auf Silber. Ich glaube aber, sie hat der Frage nicht ausreichend Beachtung geschenkt.«
    »Nicht ausreichend Beachtung geschenkt«, wiederholte der Pfarrer amüsiert. »Wo nimmst du bloß diese Ausdrücke her?«
    »Ich lese, Papa«, lautete die würdevolle Antwort.
    In diesem Moment kam Johannes von der Terrasse hereingerannt, ein weißes Tuch schwenkend. »Ich ergebe mich!«, schrie er, ohne sich dabei an jemand Besonderen zu richten. »Ich ergebe mich!« Und dann ließ er sich schwer atmend auf die Essbank fallen.
    »Waren das wieder die Trolle?«, wollte Katharina aufgeregt wissen, die alle Anstalten machte, ihre Hausaufgaben und ihre hochtrabende Ausdrucksweise zu vergessen und sich mit leuchtenden Augen ins Spiel zu stürzen.
    »Pah, bei Trollen ergeb ich mich doch nicht!«, antwortete Johannes verächtlich und ließ die weiße Flagge auf den Tisch fallen. Pfarrer Römer überlegte sich gerade, seine Studien in sein Arbeitszimmer zu verlegen, weil es ihm im Esszimmer zu laut wurde, warf aber erst einen besorgten Blick auf das weiße Tuch. Letzte Woche hatte Johannes einen Dampftopf aus der Küche als Helm verwendet – und wenn er es recht überlegte, hatte Römer auch seine Pfeife schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Das Dasein als Strohwitwer war doch nicht so leicht, obwohl die Frauen der Gemeinde sich damit abwechselten, ihn und die Kinder mit Mittagessen zu versorgen. »Wo hast du das her?«, fragte er plötzlich scharf und nahm das weiße Tuch zur Hand. »Ich habe euch schon so oft gesagt: Die Sachen aus der Kirche sind tabu.« Das Stück Stoff war nicht, wie er gehofft hatte, ein alter Stofffetzen, und auch nicht, wie befürchtet, eines der besten Küchenhandtücher, die Adi damals zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, sondern eines der Tücher, mit denen er bisher beim Gottesdienst die Abendmahlsgeräte auf dem Altar zugedeckt hatte. Daran bestand kein Zweifel, denn in eine Ecke war das Chi Rho, die Christusrune, gestickt und am Rand verriet ein dezentes Label die Herkunft des Tuchs aus der Paramentik Neuendettelsau.
    Johannes sah seinen Vater aus unschuldigen blauen Augen an. Da mischte sich Katharina ein: »Das haben wir nicht aus der Kirche«, erklärte sie indigniert. »Ich hab das draußen gefunden, neben der Kirche.«
    »Neben der Kirche?«, wiederholte Römer, plötzlich aufmerksam geworden. »Aber nicht da, wo die Einbrecher das Fenster zerschlagen haben, oder?«
    »Oh«, machte Katharina mit großen Augen. »Doch, genau unter dem Fenster, Papa. Dahinter sind doch die Bäume und die Mauer, weißt du. Da hab ich’s gefunden.« Herwig Römer wusste genau, welche Stelle sie meinte: Das Fenster mit den Emmausjüngern war von der Straße abgewandt, ideal für einen Einbruch, allen Blicken entzogen. »Aber hast du denn nicht gesehen, dass das Fenster zerbrochen war?«, wollte er wissen. Verflixt, wenn nun er und seine Kinder unabsichtlich
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