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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus
Autoren: Roger Willemsen
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halten ihn für einen Profanbau der nutzlosen Rede, ein bisschen Circus Maximus, ein bisschen Cloaca Maxima. Wir auf der Tribüne sind das Publikum, das das Volk vertritt. Unter diesen bin ich so sentimental, bei Rednern und Zuhörern die wahre Empfindung, den einen Verzweifelten, den ängstlich Betroffenen zu erwarten, einen, wie den Staatspräsidenten der Malediven, als er vor dem Weltklimarat vom Ansteigen der Meere sprach, vom Verschwinden seines Landes. Würde er so reden wie diese hier? Wer am Pult fühlt sich hier wirklich delegiert und in wessen Auftrag?
    In der anschließenden Debatte über die mögliche Unterstützung der französischen Militärintervention in Mali dominiert stark ornamentales Reden. »Logistisch«, »nicht kämpferisch« sei diese Unterstützung, »zur Zeit« erwäge man keine Zusage, habe nur eine »Prüfzusage« gemacht. Die Auskünfte kommen stockend, eine »Unterstützung durch Transportflugzeuge« wird angekündigt. Es geht um drohende Kampfhandlungen, aber in einer Sprache, die diese unkenntlich macht, lieber »präventiv« sagt, ein »Recht auf kollektive Selbstverteidigung« postuliert. Als schließlich der Regierungsvertreter in einem Versprecher die Taliban schon in Mali lokalisiert, ist der verdeckte Bezug zum Afghanistankrieg offenbar, der ebenfalls jahrelang nicht beim Namen genannt werden durfte und auch mit der nicht-militärischen Hilfe für den Bündnispartner und zwei zur Verfügung gestellten Flugzeugen begann.
    Man reagiere auf ein Hilfsersuchen der malischen Regierung, sagt die deutsche Regierung. Das klingt zwar brüderlich, verliert aber an Überzeugungskraft, als Niema Movassat ( DIE LINKE ) daran erinnert, dass diese Regierung durch einen Putsch an die Macht gekommen ist. Warum also lehnt man eine Zusammenarbeit im entwicklungspolitischen Bereich ab, reagiert aber militärisch auf Hilfeersuchen?
    Die Antwort der Regierung ist wolkig. Im Gestrüpp der Sprache ist die Art des Einsatzes kaum identifizierbar, die Begriffe lauten »Mandat«, »Einsatzschwelle«, »klare Regeln und Hinweise«, »jeweilige Prüfung«, auch: »die Bundesregierung schließt aus«, und sie »schließt« noch mal »aus«. Stattdessen muss eine »Roadmap« her, seit ein paar Jahren des Außenpolitikers rhetorisches Lieblingsspielzeug. Im Moment soll es zwar nur um Transporthilfen gehen, das Feindbild aber ist kriegerisch: »Da wird gesteinigt, da werden Hände abgehackt.«
    Movassat packt einen sehr dicken Rucksack und bewegt sich zum Ausgang. Er hat niemanden überzeugt, niemand überzeugte ihn. Die Mali-Debatte geht auch so weiter. Zur gleichen Zeit empfängt die Kanzlerin den Staatschef der Elfenbeinküste, tritt vor die Kameras und benutzt abseits des Parlaments jene Sätze, mit denen jede deutsche Kriegsbeteiligung legitimiert werden kann: Der Krieg im Norden Malis gefährde auch unsere Sicherheit. Die deutsche Freiheit wird am Hindukusch verteidigt. Anders gesagt: Der internationale Terrorismus macht aus jedem Krisenherd eine nationale Bedrohung. Die Konsequenzen sind klar, aber unausgesprochen.
    Der nächste Tagesordnungspunkt widmet sich der Flugsicherung im südbadischen Raum.
    Der Blick schweift. Da ist der raue Sandstein, der lebt, wenn das Licht darauf fällt, da ist das Grau des Zements, der es nicht tut. Dann das metallische Schimmern in den Strukturelementen, das Blau der Sessel, das im Lichtschein aussehen kann wie Magenta. Das »Hohe« des Hauses wurde von historischen Bildern inspiriert: großen Wachablösungen, Misstrauensvoten, Vertrauensfragen, dem Handschlag zwischen Sieger und Besiegtem, der zum Eid erhobenen Schwurhand. Heute ist dies der Schauplatz parlamentarischer Routine.
    Doch ein besonderes Vorkommnis hat der Tag noch in petto. Cornelia Behm ( B   90 / DIE GRÜNEN ) wünscht unter dem Tagesordnungspunkt »Gründe und Auswirkungen der Verschiebung der Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg« zu wissen, »welche Informationen zur möglichen Verschiebung des Eröffnungstermins des Berliner Flughafens Herr Horst Amann dem Bundesminister Herrn Dr. Ramsauer und dem Staatssekretär Rainer Bomba in ihrem gemeinsamen Gespräch am 19 . Dezember 2012 mitgeteilt hat und inwieweit zum Inhalt dieses Gesprächs ein Protokoll existiert«.
    Der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke berichtet von einem ungeplanten Zusammentreffen ohne Protokoll. Dagmar Enkelmann ( DIE LINKE ) ruft: »Haben Sie gewichtelt, oder was?« Es folgen zu diesem »kurzen Kennenlernen«
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