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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Elizabeth Amber
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und traf auf eine unnachgiebige Wand. Blindlings tastete sie in eine andere Richtung – und traf auf eine weitere Wand. Und noch eine, und noch eine. Wände über und unter ihr und an allen Seiten, so dass sie weder aufrecht stehen noch ausgestreckt liegen konnte. Sie schluckte die aufsteigende Hysterie hinunter und zwang sich, ruhig zu bleiben. Ihr Knie stieß gegen etwas. Eine Öllampe. Ihre tastende Hand fand noch Wasser und Brot.
    Ihr Herz hämmerte vor Entsetzen. Occia hatte sie lebendig begraben, so wie die anderen! Keines dieser drei Dinge, die ihr zugeteilt worden waren, war für ihren Gebrauch bestimmt. Es waren lediglich Symbole, die sie daran erinnern sollten, dass sie wirklich und wahrhaftig gefangen war. Die Beamten im alten Rom hatten einst verfügt, dass jeder Vestalin, die ihre Gelübde gebrochen hatte und dazu verurteilt worden war, auf dem Campus Sceleratus lebendig begraben zu werden, Öl, Wasser und Brot mitgegeben werden sollten. Die Wand war in eine Form von Magie gehüllt, die sie ohne Nahrung oder frische Luft am Leben halten würde. Auf ewig.
    Immer wieder hämmerte sie gegen die Wände an allen Seiten und hielt dazwischen inne, um zu lauschen. Sie hatte gehofft, als Antwort ein Lebenszeichen von den anderen Vestalinnen zu hören, die neben ihr gefangen waren, doch alles blieb still. Die Stunden verstrichen, während sie über jede nur mögliche Art von Flucht nachdachte, wie unwahrscheinlich sie auch sein mochte. Wenn sie hier in diesem kleinen Raum ein Feuertor erschuf, würde sie sich nur selbst in Brand setzen und möglicherweise noch einige von den anderen.
    Erstickt von der Dunkelheit und ihrer eigenen Angst, gab sie ihrer Panik nach. »Nein!«, kreischte sie und warf sich in ihrem Gefängnis hin und her.
    Das Schlimmste von allem war jedoch das Wissen, dass sie bei der Befreiung der anderen versagt hatte. Jetzt würde niemand mehr kommen, um sie zu retten. Und sie würde die Jahrhunderte hier verbringen wie die anderen, die sie so lange bemitleidet hatte. Sie alle waren dazu verdammt, als lebende Tote zu existieren.
    Und Bastian würde niemals erfahren, dass sie ihn liebte.
    Die Zeit verging langsam. Stunden, Tage, Wochen. Sie schlief wenig und dämmerte zwischen Ohnmacht und Wachzustand dahin. Sie hörte nichts und sah nichts. Es gab nichts, womit sie ihren Geist beschäftigen konnte, außer Hoffnungslosigkeit. Irgendwann begann sie zu halluzinieren. Sie sah längst gestorbene Familienmitglieder. Und Freunde. Und Bastian. Immer wieder Bastian. Visionen von ihm verfolgten sie, und Gefühle quälten sie, während sie doch nichts anderes wollte, als taub und gefühllos zu sein.
    Manchmal fühlte sie sich getröstet, wenn er ihr im Dunkel zuflüsterte und versprach, dass er kommen würde, um sie zu holen. Wenn er ihr sagte, dass er sie liebte. Beim letzten Mal, als sie auseinandergingen, war sie so wütend gewesen, so töricht und stolz. Sie hätte ihm ihre Geheimnisse anvertrauen sollen. Er war ein guter Mann, und er hätte ihr helfen können, die anderen zu befreien. Jetzt war es zu spät.
    Seine Phantombesuche in ihrem Gefängnis wurden zur Qual für sie, denn jedes Mal, wenn er erschien und sie versuchte, ihm alles zu erklären, schien er sie nicht zu hören. Dennoch rief sie immer wieder nach ihm und versuchte, sich ihm verständlich zu machen. Ihm das einzige Geschenk zu machen, das sie zu geben hatte. Ihren Namen. »Silvia«, flüsterte sie immer wieder. Doch jedes Mal entschwand er im Nichts, und sie blieb allein zurück.
    Und als sie eines Tages seine geliebte Stimme hörte und den Trost eines starken Armes um sich spürte, glaubte sie nicht, dass es wirklich Bastian war. Und er war es auch nicht.
    »Bastian?«, krächzte sie kaum hörbar.
    »Nein, ich bin Sevin«, kam die knappe Antwort, und sie sah, dass es tatsächlich Bastians Bruder war, der sie im Arm hielt. Er schaute sie mit einer Mischung aus Mitleid und Zorn an. Dann wandte er den Kopf und rief über die Schulter jemandem im Saal zu: »Sie ist hier! In Sicherheit.«
    Silvia wandte ebenfalls den Kopf, doch das ungewohnte Licht blendete sie, und sie zuckte zurück. Sevin hielt sie einen Augenblick an sich gedrückt und ließ seine großen Hände über ihren Körper gleiten, zweifellos um zu prüfen, ob sie Knochenbrüche oder andere Wunden hatte, während er ihr tröstende Worte zuflüsterte. Hinter ihm hörte sie das Klirren von Schwertern und Messern. Ein Kampf war im Gange. Sie blinzelte und schaffte es, einen Blick
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